Das Wichtigste in Kürze:
- Eine Genanalyse auf äusserliche Merkmale – oder eben DNA-Phänotypisierung – steht auch in der Schweiz zur Diskussion.
- Noch in diesem Jahr soll ein Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung gehen.
- Doch das Thema ist umstritten: Wissenschaftler warnen, dass die Methode unzuverlässig ist. Und Politiker haben rechtsstaatliche Bedenken.
Speichel, Sperma oder Haut: Kleinste Abstriche reichen, um eine Person zu identifizieren. Doch heute wird aus der DNA nur ein allgemeiner Fingerprint hergestellt und in einer zentralen Datenbank gespeichert. Einzelne Gene eines Menschen zu analysieren, ist in der Schweiz verboten.
Ein brutaler Überfall als Auslöser
Die Politik will dies allerdings ändern. Auslöser ist der Fall Emmen: Im Juli 2015 zerrt ein Mann eine junge Frau vom Velo, vergewaltigt sie und lässt sie schwer verletzt zurück. Der Täter ist immer noch nicht gefasst. Die Hoffnung: Wenn die DNA Hinweise auf sein Aussehen gäbe, wäre er zu finden.
Der Luzerner FDP-Politiker Albert Vitali kennt das Opfer des brutalen Vergewaltigungsdelikts persönlich. Er hat darum einen Vorstoss ins Parlament gebracht, der erlauben soll, bei schweren Verbrechen die DNA-Analyse auszuweiten.
Er erklärt: «Neu könnte man mit der sogenannten verschlüsselten DNA zum Beispiel die Augen- und Hautfarbe herausfinden, damit ein Robotbild erstellen und die Täterschaft viel genauer ermitteln.»
Technisch möglich – aber nicht immer zuverlässig
Im Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern steht bereits ein Gerät der neuesten Generation für die Durchführung solcher Analysen. Mitarbeitende haben es mit ihrer eigenen DNA getestet. Mit gemischtem Erfolg.
Silvia Utz, die Abteilungsleiterin, findet ihre eigene Auswertung gut. Demnach ergab die Vorhersage mit über 80 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass sie blonde Haare habe. Die blauen Augen wurden sogar zu 96 Prozent vorausgesagt. «Das ist nicht schlecht», sagt Utz.
Im Team gebe es aber auch Leute, die mit ihrer Vorhersage nicht ganz zufrieden sind. «Das Ganze ist heute also noch mit Vorsicht zu geniessen.»
Mit einer recht hohen Zuverlässigkeit vorhersagen können die heutigen Analysen auffällige Haarfarben, wie blond, rot oder schwarz und eine deutliche Augenfarbe, wie blau und braun. Jedoch bei Mischformen, wie sie im mitteleuropäischen Raum häufig vorkommen, wird die Aussage unzuverlässig, wie zum Beispiel bei bräunlichen Haaren oder grünen Augen.
Es gibt auch Analysen, welche über die biogeographische Herkunft einer Person Auskunft geben. Dies funktioniert aktuell recht gut im grösseren Rahmen, also für die Voraussage der kontinentalen Herkunft.
Weiter wird an der Vorhersage anderer Eigenschaften, wie zum Beispiel dem Alter einer Person, gearbeitet.
«Die Erwartungen sind aktuell viel zu hoch»
«Sehr interessant für eine Ermittlung wäre ja die Körpergrösse eines Menschen», erklärt Utz. «Diese kann man recht schlecht beeinflussen oder fälschen.» Allerdings habe sich herausgestellt, dass die Körpergrösse nur etwa zu 80 Prozent genetisch bedingt sei, und es spielten auch noch viele andere Faktoren eine Rolle, wie zum Beispiel die Ernährung.
Brauchbar für eine Ermittlung seien heute erst wenige Augen- und Haarfarben, sagen also die Experten. Vorhersagen für andere Merkmale seien noch unsicher. So sagt Silvia Utz denn auch in Hinblick auf die Aussagen der Politiker: «Die Erwartungen sind aktuell viel zu hoch, sie entsprechen nicht dem, was heute möglich ist.»
Und trotzdem soll die Politik nun entscheiden, ob die DNA-Phänotypisierung der Verbrechensaufklärung dienen soll. In Fällen, wo sonst keine Hinweise für ein Täterprofil vorhanden sind.
Darum sind Politiker wie Balthasar Glättli von den Grünen der Überzeugung, dass noch Vorsicht angebracht ist. Er hat zwei Bedenken: Erstens, dass man übergeneralisiere und einen Generalverdacht hege, «und dass die Leute dann beweisen müssen, dass sie unschuldig sind – und nicht mehr, dass der Staat beweisen muss, dass sie schuldig sind.»
Das sei ein grundlegendes Rechtsprinzip. Und zweitens, man mache den Opfern zu viel Hoffnungen: dass ein Phantombild erstellt werden könne, mit dem sich der Täter sehr schnell finden lasse. «Aber das wird auch weiterhin nicht der Fall sein», so Glättli.
Welche Gene unserer DNA entschlüsselt werden dürfen und bei welchen Verbrechen: Das muss das Parlament noch entscheiden.