Ist die Schweiz ein «Erdbeben-Hotspot»? Bei Erdbeben denkt man zuerst ans Ausland. So forderte ein Erdbeben der Stärke 6.8 in China vergangene Woche 93 Todesopfer, und am Sonntag wurde Papua-Neuguinea von einem Beben mit Magnitude 7.6 durchgeschüttelt. Doch auch die Schweiz ist nicht vor Erschütterungen gefeit. Am Samstagabend bebte bei Mulhouse (F) in der Nähe von Basel die Erde. Laut dem Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich (SED) war das Beben mit Stärke 4.7 in weiten Teilen der Schweiz spürbar.
Am Sonntag kam es bei Basel zu einem Nachbeben der Stärke 3.1 – und im liechtensteinischen Vaduz bebte die Erde am 1. September just in dem Moment, als der Landtag eine Erdbebenversicherung debattierte. Zufall, oder ist die Schweiz mehr «Erdbeben-Hotspot» als gedacht? Beides richtig, betont ETH-Seismologe Philippe Roth: «Das sind einerseits periodische Schwankungen. Andererseits ist die Schweiz ein Erdbebenland. Im europäischen Vergleich haben wir relativ viele Erdbeben, wenn auch deutlich seltener als hochgefährdete Gebiete wie Italien oder Griechenland.»
Sind weitere Nachbeben zu erwarten? «Wir rechnen in der Region Basel mit weiteren Nachbeben in den nächsten Tagen bis Wochen. Darunter könnte nochmals ein spürbares Erdbeben sein. Ausgeschlossen ist auch ein grösseres Beben nicht, die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber klein», erklärt der Seismologe. Erdbeben sind laut SED in der Region Basel nichts Aussergewöhnliches, wobei ein Beben der Magnitude 4.7 nur alle 10 bis 20 Jahre vorkommt.
Häufen sich Erdbeben hierzulande? Der Erdbebendienst registriert in der Schweiz und im nahen Ausland täglich drei bis vier Erdbeben. Das sind 1000 bis 1500 Beben pro Jahr. Allerdings sind nur 10 bis 20 davon mit Magnituden ab 2.5 für Menschen spürbar. 2021 erfasste die ETH 32 spürbare Erdbeben. Es sei zwar denkbar, dass es dieses Jahr zu einer Häufung der spürbaren Beben kommt, das wäre aber auf lange Sicht nicht statistisch auffällig. Auch hier spricht Seismologe Philippe Roth von normalen Schwankungen, deren Gründe man nicht kenne.
Wo bebt die Erde in der Schweiz am meisten? Laut dem SED können Erdbeben grundsätzlich überall auftreten. Am höchsten ist die Wahrscheinlichkeit im Wallis, gefolgt von der Region Basel. Doch auch das St. Galler Rheintal, die Zentralschweiz und das Bündnerland gelten als gefährdete Regionen.
Ist das Atomendlager erdbebensicher? Das Erdbeben vom Wochenende war auch in Nördlich Lägern (ZH) spürbar, wo das neue Tiefenlager für Atommüll entstehen soll. Nagra-Chef Matthias Braun bestätigt in einem Interview, dass Erdbebensicherheit bei der Standortwahl berücksichtigt worden sei. Felix Altorfer von der Atomaufsicht Ensi ergänzte vor den Medien, dass Erdbeben vor allem über der Erde spürbar seien. Schäden an der Oberfläche seien viel grösser als in der Tiefe eines Endlagers.
Welche schweren Beben gab es in der Schweiz? Etwa alle 50 bis 150 Jahre ereignet sich ein Schadensbeben der Magnitude 6 oder mehr. Zuletzt gab es so ein Ereignis 1946 im Wallis. Damals erschütterte ein Beben der Stärke 5.8 die Region Siders.
Seit dem 13. Jahrhundert haben sich laut SED in der Schweiz zwölf dokumentierte Erdbeben mit grossen Schäden ereignet. Nebst dem erwähnten Beben 1946 in Siders richtete 1964 eine Erdbebenserie im Kanton Obwalden (Magnitude 5.3) Schaden an. Das bislang wohl stärkste Erdbeben der Schweiz gab es 1356 in Basel, die Magnitude wird auf 6.6 geschätzt.