Zum Inhalt springen

Selbstgetragene Spitalkosten Bundesgericht erlaubt Steuerabzug bei Aufenthalt in Privatklinik

  • Eine Frau hat sich auf eigene Kosten von einem Spezialisten in einer Privatklinik in einem anderen Kanton an der Hüfte operieren lassen.
  • Diese Kosten machte sie in der Steuererklärung geltend. Das Steueramt des Kantons Aargau, ihrem Wohnkanton, verweigerte ihr aber den Abzug.
  • Das Bundesgericht korrigiert das nun und umschreibt erstmals, wann solche selbstgetragenen medizinischen Kosten abzugsberechtigt sind.

Die Patientin hatte ihre linke Hüfte bereits zweimal operieren lassen, war jedoch immer noch auf Krücken angewiesen. Ihr Hausarzt empfahl ihr eine dritte Operation bei einem Spezialisten. Dieser operierte sie an einem Spital, das über keine Abteilung für Allgemeinversicherte, wie sie eine war, verfügte.

Ausserdem war das Spital in einem anderen Kanton und nicht auf der Spitalliste ihres Wohnkantons Aargau. Die Operation fand 2016 statt und verlief erfolgreich. Die Kosten betrugen rund 34'000 Franken, wovon die Frau rund 24'000 Franken selbst bezahlte.

Diese trug sie dann in der Steuererklärung ein. Das kantonale Steueramt wollte diesen Abzug nicht zulassen und stellte sich auf den Standpunkt, sie hätte sich nicht in einem Privatspital behandeln lassen müssen.

Gefahr von Zweiklassengesellschaft

Die Frau focht den Entscheid an und erhielt an einem Spezialgericht insofern Recht, als dieses die dritte Operation als medizinisch notwendig einstufte. Doch das kantonale Verwaltungsgericht lehnte ihre Beschwerde ab.

Mit dem Bundesgerichtsentscheid müssen die kantonalen Behörden allerdings erneut über die Bücher. Denn für das Bundesgericht führt die Haltung des Kantons Aargau zu einer Zweiklassengesellschaft, die eine spezialisierte Behandlung nur noch Zusatzversicherten ermöglichen würde.

Das Lausanner Gericht gibt zu bedenken, wie schwierig es sein kann, bei fortgeschrittenem Alter, bei bestimmten Erkrankungen oder schlechtem Gesundheitszustand eine Zusatzversicherung abzuschliessen.

Aber das aktuelle Behandlungssystem sei durchlässig, so dass auch Grundversicherte zu solchen Behandlungen kommen könnten. In der Einschätzung der Richter sind deshalb auch die Kosten einer spezialisieren Behandlung abzugsberechtigt, egal, ob sie sich mit der Wahl einen anderen Spitals oder einer Zusatzversicherung hätten vermeiden lassen können.

Hotelleriekosten nicht abziehbar

Anders verhält es sich mit den Kosten der Hotellerie im privaten oder halbprivaten Spitalzimmer. Diese Kosten sind nicht abzugsberechtigt und gehen zulasten der Patientin – im vorliegenden Fall knapp 3000 Franken. In der Begründung verweist das Gericht auf das Steuerharmonisierungsgesetz.

Danach sind Krankheits- und Unfallkosten abzugsberechtigt, wenn sie den kantonal festgelegten Selbstbehalt übersteigen. Dieser liegt im Kanton Aargau bei fünf Prozent der steuerbaren Einkünfte. Zudem hat die Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV 2005 festgehalten, dass sie die Kosten für Massnahmen, die zur Erhaltung und Wiederherstellung der physischen und psychischen Gesundheit nötig sind für abzugsberechtigt hält; dazu gehören Behandlungen, Spitalaufenthalte, Medikamente und mehr.

Nicht abzugsberechtigt sind Massnahmen, die das medizinisch Übliche und Nötige übersteigen, die nur indirekt damit zusammenhängen (wie etwa Transportkosten), oder der Selbstverwirklichung oder körperlichen Verbesserung dienen. Darunter fallen Schönheitsbehandlungen und Schlankheitskuren ohne ärztliche Anordnung. Die ESTV äussert sich auf Anfrage nicht zu Angelegenheiten des Steuerharmonisierungsgesetzes.

Rendez-vous, 25.01.2021, 12:30 Uhr

Meistgelesene Artikel