Ruben Unteregger weiss, wovon er spricht, wenn er sich zu Staatstrojanern äussert. Der Software-Entwickler hat sie selber programmiert, bis er ausstieg. Heute steht er staatlicher Spähsoftware kritisch gegenüber.
Neue Kommunikationstechnik kaum abhörbar
Unteregger erklärt, wie der Staatstrojaner funktioniert: Zuerst beschaffen sich Spezialisten Informationen zum Computer oder zum Handy des Straftäters. Wenn die sogenannten Zielsysteme infiziert seien, werde die Schadsoftware ausgeführt: Die gewünschten Daten würden zu den Servern der Ermittlungsbehörden geschickt und dort ausgewertet.
Genau darauf seien Ermittler dringend angewiesen, sagt Thomas Hansjakob. Er ist Erster Staatsanwalt des Kantons St. Gallen. Telefongespräche oder SMS könnten die Ermittler heute zwar abfangen. Doch auch Straftäter kommunizieren mehr und mehr übers Internet: Sie telefonieren etwa per Skype, oder sie tauschen sich über WhatsApp mit Textnachrichten aus – auf verschlüsselten Leitungen. Und da stossen Ermittler an Grenzen, so der Staatsanwalt. Man könne dann den Datenverkehr nicht mehr mitverfolgen. «Da entgehen uns Informationen, die wir früher hatten.»
Gleich lange Spiesse wie Verbrecher
Deshalb brauche es bei der Ermittlung gegen schwere Straftäter wie Terroristen oder Kinderpornohändler Staatstrojaner. Einfach, damit Staatsanwälte gleich lange Spiesse haben wie ihre Klientel. Nur könne ein Trojaner theoretisch viel mehr als nur Skype-Gespräche mithören, wendet Software-Entwickler Ruben Unteregger ein: So habe man etwa Zugriff auf die im eingebaute Kamera im Computer oder auf die Tastatur-Eingaben: «Das ist der komplette Wahnsinn.»
Eine komplette Wanze verbietet das neue Gesetz allerdings explizit, eine Online-Durchsuchung ist nicht zulässig. Doch Unteregger zweifelt: «Wenn eine so effiziente Waffe vorhanden ist, dann möchte man die auch gerne brauchen.» Dem entgegnet Staatsanwalt Hansjakob, man könnte heute ja bereits jedem Auto einen GPS-Sender montieren. «Doch es behauptet niemand, nur weil wir das könnten, würden wir es auch tun.» Dasselbe gelte auch für Trojaner.
Sind die Software-Spezialisten der Schwachpunkt?
Doch Informatiker Unteregger hat weitere Bedenken: Sie betreffen seine eigene Zunft, also die Software-Entwickler, die Staatstrojaner programmieren, und die Firmen, bei denen sie angestellt sind. Ein Unternehmen, das für den Bund einen Trojaner herstellt, habe Zugriff auf extrem heikle Daten, so Unteregger. Diese hätten einen Wert. Und niemand wisse, was die beteiligten Firmen mit diesen Daten tue.
Die Informatiker könnten die Daten ja an Kriminelle weiterverkaufen oder sogar Dokumente auf dem Computer des Straftäters verändern. «Man könnte die gefundenen Indizien auch manipulieren. Zum Guten oder Schlechten für die Zielperson.» Straftäter könnten mit gefälschten Beweisen zusätzlich belastet werden – eine Art kafkaeskes Horrorszenario.
Doch Staatsanwalt Hansjakob beruhigt. Das sei ja das Gleiche, wie wenn man behaupten würde, dass ein Drogenfahnder die Drogen bei einem Verdächtigen platzieren würde. «Davon würde ich in der Schweiz schlichtweg nicht ausgehen», so Hansjakob.