Mit Stéphane Rossini nimmt ein Westschweizer auf dem Stuhl des höchsten Schweizers Platz. Der Walliser wurde schon in seiner Kindheit mit der Politik konfrontiert. Das sozialdemokratische Gedankengut prägte ihn von klein auf. Rossinis Vater sass ab 1965 acht Jahre für die SP in der katholisch geprägten Exekutive der Gemeinde Nendaz. Dort hatte er gegen die CVP keinen einfachen Stand. In der Familie Rossini wurde lebhaft über Politik diskutiert.
Nun ist Stéphane Rossini, 51-jähriger Vater zweier Kinder, Nationalratspräsident. «Das ist eine grosse Ehre, aber auch eine grosse Verantwortung», sagt Rossini. Er freut sich besonders darauf, bei den zahlreichen Repräsentationsaufgaben im In- und Ausland «die Schweizer Demokratie mit Leben zu erfüllen».
Mann der direkten Worte
Besuche wie jener am World Economic Forum (WEF) in Davos werden für den Linkspolitiker eher ungewohnt sein. Da er 2015 nach 16 Jahren seine Karriere in Bundesbern beenden wird, ist er frei von Wahlkampfverpflichtungen und will sein Präsidialjahr voll wahrnehmen.
«Ich werde kein unsichtbarer Präsident sein», sagt er. So will er denn nicht zögern, während der Eröffnungs- und Schlussreden in den Sessionen auch Stellung zu beziehen. Schwerpunkte seiner Wortmeldungen sollen der Zusammenhalt und die Öffnung der Schweiz gegenüber der Welt sein.
Sein Streben nach Gerechtigkeit und der Wille, die Dinge zu ändern, markierten von Beginn an den Weg des linken Politikers Rossini. Er besuchte das Gymnasium St-Maurice (VS), engagierte sich bei den Jungsozialisten und schrieb für das linke Wochenblatt «Peuple Valaisan».
Dirigent der Konkurrenz
An der Universität Lausanne schloss er 1988 sein Lizentiat in Politikwissenschaft ab und erlangte später den Doktortitel in Sozialwissenschaften. Um während des Studiums etwas Geld zu verdienen, dirigierte er zudem eine CVP-Blaskapelle von Nendaz. «Aus dieser Zeit habe ich Freunde, für die einzig meine SP-Zugehörigkeit ein Makel darstellt», sagt Rossini und schmunzelt.
Die politische Bühne betrat er 1993 mit der Wahl in den Walliser Grossen Rat. Dort stand er der Übermacht der CVP gegenüber. «Selbst die besten Ideen hatten Mühe, im Parlament durchzukommen, wenn sie nicht aus dem Lager der CVP stammten.»
Den Einzug in den Nationalrat schaffte Rossini 1999 mit 15'000 Stimmen. Vier Jahre später wurde er mit über 27'000 Stimmen wiedergewählt und liess sogar Jean-Michel Cina (CVP) um rund 3000 Stimmen hinter sich.
Kantonsexekutive im Fokus
Die Walliser Stimmberechtigten bestätigten das Vertrauen bei den Wahlen 2007 und 2011. Als Bundesrätin Micheline Calmy-Rey im September 2011 ihren Rücktritt ankündigte, meldete Stéphane Rossini als Erster sein Interesse an. Die SP nominierte jedoch Pierre-Yves Maillard und Alain Berset als offizielle Bundesrats-Kandidaten. Von 2008 bis 2012 war Rossini zudem Vizepräsident der SP Schweiz.
Im Bundeshaus ist Stéphane Rossini vor allem als Kenner der Sozialversicherungen bekannt. Er gehört der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit sowie der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats an.
Rossini wird das Amt des Nationalratspräsidenten perfekt ausfüllen, sagt sein Walliser Parteikollege im Nationalrat, Mathias Reynard. «Stéphane wird respektiert und gehört.»
«Als bedächtiger und engagierter Arbeiter» würde sich Rossini auch ideal für die Walliser Regierung eignen, sagt Reynard. Stéphane Rossini selbst verhehlt denn sein Interesse an der Walliser Kantonsexekutive auch nicht. Bis zu den Kantonswahlen 2017 vergeht jedoch noch viel Zeit. Bis dahin kann der Bergsteiger Rossini noch manchen Gipfel erklimmen, Flügelhorn spielen oder sich seinem dritten Hobby – der Jagd – widmen.