Der Nationalrat hat seinen Reformplan für die Altersvorsorge bestimmt. Er sieht vor, dass das Rentenalter der Frauen zwischen 2018 und 2021 auf 65 angehoben wird und zusätzliche 0,6 Prozentpunkte aus der Mehrwertsteuer in die AHV fliessen.Gleichzeitig sinkt der Umwandlungssatz, auf dessen Grundlage die Pensionskassenrenten berechnet werden, von 6,8 auf 6 Prozent. Dies kommt einer Rentenkürzung um 12 Prozent gleich.
Kompensiert werden soll dies nicht durch eine Erhöhung der AHV-Rente um 70 Franken, wie sie der Ständerat vorsah, sondern vor allem durch unter dem Strich höhere Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge in die zweite Säule.
Bei der AHV bringt der Nationalrat zudem eine Schuldenbremse ein: Bundesrat und Parlament müssen also eine weitere Sanierung ausarbeiten, sobald die Vermögen der AHV bei 100 Prozent einer Jahresausgabe liegen. Bringen die Massnahmen dann innert drei Jahren nichts, soll sich das Rentenalter automatisch auf maximal 67 Jahre erhöhen.
«Ein taktischer Schritt»
Beim Schweizer Volk wird die Erhöhung des Rentenalters wohl kaum Chancen haben. Deshalb hat der Nationalrat entschieden, dass der Reformplan für die AHV und die Schuldenbremse dem Volk getrennt unterbreitet werden sollen. Nun geht das Geschäft zurück an den Ständerat. Doch weshalb legt der Nationalrat eine Vorlage vor, die beim Volk kaum mehrheitsfähig ist?
Für Politologe Michael Hermann ist dies «ein taktischer Schritt, um mehr Verhandlungsmasse mit dem Ständerat zu haben». Der Vorschlag des Ständerates, die AHV um 70 Franken zu erhöhen, um Pensionskassenausfälle zu kompensieren, laufe «der Idee einer Sanierung der AHV ja eigentlich entgegen», da die Ausgaben weiter erhöht würden.
Die Jungen müssen zwar mehr Pensionskassenbeiträge einzahlen, dafür haben sie etwas davon.
Zudem berücksichtige die Lösung des Nationalrates auch die junge Generation: «Sie müssen als Kompensation für den tieferen Umwandlungssatz bei der zweiten Säule zwar mehr selber einzahlen, dafür haben sie aber auch etwas davon.» Bei einer Erhöhung der AHV-Renten um 70 Franken, würden vor allem die aktuellen AHV-Bezüger profitieren.
Hermann stellt denn auch in Frage, ob die 70 Franken mehr AHV tatsächlich die Wahrscheinlichkeit erhöhe, dass die Reform beim Volk Anklang findet. Die Abstimmung zur AHV-Plus-Initiative habe nämlich gezeigt, dass auch die Stimmbürger «ein Giesskannenprinzip nicht unbedingt toll finden». Der Politologe geht deshalb davon aus, dass sich der Nationalrat nun eine Verhandlungsbasis aufgebaut hat, um sich «mit dem Ständerat irgendwo in der Mitte zu treffen».
«In Geiselhaft der SVP»
Ähnlich sehe die Situation beim Vorschlag vom Rentenalter 67 aus. Dieses sei zwar im Volk nicht mehrheitsfähig, im Parlament aber durchaus, so Hermann. Bringe man die Idee ein, schaffe man ebenfalls eine Verhandlungsbasis: «Am Ende muss ein Kompromiss stehen, der als ausgewogen wahrgenommen wird.»
Für problematisch hält Hermann einzig, dass die nun vorgelegte Lösung des Nationalrates nicht parteipolitisch breiter abgestützt ist: «Die SVP hat bereits erklärt, dass sie der Vorlage nur aus taktischen Gründen zugestimmt hat.» Diese sei für die FDP und die Grünliberalen «ein Risikospiel», ist sich Hermann sicher. Denn die SVP könne ebenso gut wieder aus den Reformplänen ausscheiden, wenn sie ihr zu weit gingen – und damit wäre sie vom Tisch. Damit stünden die Befürworter des jetzigen Reformplans «in der Geiselhaft der SVP».