Das Wichtigste in Kürze:
- Seit mehreren Jahren steigt die Zahl der Zivildienstleistenden.
- Bürgerlichen Sicherheitspolitikern ist dies ein Dorn im Auge. Sie befürchten eine Gefährdung der Armeebestände.
- Auch Bundesrat Johann Schneider-Ammann sieht darin ein Problem.
- Als Zuständiger für den Zivildienst schlägt er nun konkrete Regeländerungen vor, damit wieder mehr junge Männer ins Militär gehen.
Schauplatz Greifensee: Ein paar junge Männer stehen bis über die Knie im Wasser. Das Ufer hier ist ein geschützter Schilfgürtel, bedroht durch einen Eindringling: den chinesischen Wildreis.
Damit dieser das Schweizer Schilf nicht verdrängt, reissen ihn die Zivildienstleistenden aus. Einer von ihnen ist Marius. Nach der Rekrutenschule und ein paar Wiederholungskursen hatte er genug vom Militär. Seither verteidigt er im Naturschutz das Land vor ausländischen Bedrohungen. «Ich mache lieber 90 Tage etwas Sinnvolles, als dass ich 60 Tage meine Zeit vertrödle», erklärt er seinen Wechsel in den Zivildienst.
Mit seiner Einstellung ist Marius nicht alleine. Immer mehr junge Männer arbeiten im Dienste der Gesellschaft in Spitälern, Schulzimmern oder eben in der Natur.
Erfolgsgeschichte Zivildienst, könnte man zusammenfassen. Doch im Bundeshaus, beim obersten Chef des Zivildienstes, klingt es anders: «Die Erfolgsgeschichte ist relativ», sagt Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Früher, als die angehenden Zivildienstleistenden noch zu einer mündlichen Gewissenprüfung haben antreten müssen, wurden weniger als 2000 pro Jahr zugelassen, heute mehr als 6000.
«Abschleicher» im Visier
Zuviel, findet der Bundesrat. Die Zahl der Zivildienstleistenden sei zwei- bis dreimal höher als die Anzahl Personen, die aus Gewissensgründen keinen Militärdienst leisten wollen. Korrekturen seien nötig.
Sein Departement hat deshalb sieben Ideen für schärfere Gesetzesbestimmungen entwickelt. Viele davon haben jene jungen Männer im Visier, die zuerst Militärdienst leisten und dann erst in den Zivildienst wollen – etwas abschätzig auch «Abschleicher» genannt. Drei Beispiele:
- Wer vom Militär in den Zivildienst wechseln will, müsste neu mindestens 100 bis 150 Tage leisten, egal wie viel Militär er schon gemacht hat.
- Wer nach der Rekrutenschule wechseln will, müsste neu bis zu einem Jahr warten und in der Zwischenzeit weiter ins Militär.
- Unteroffizieren und Offizieren würde der Wechsel zusätzlich erschwert, sie müssten neu mehr als das anderthalb Mal lang in den Zivildienst.
«Damit sollte man wieder näher an die ursprüngliche Idee kommen, die besagt, dass die Schweizer im Wesentlichen ihre Militärdienstpflicht erfüllen», erklärt Schneider-Ammann.
Der Zivildienst soll die Ausnahme bleiben. Die Vorschläge des Bundesrats und ehemaligen Obersten im Generalstab sind als Reaktion auf die Klagen aus der Armee zu sehen. Sie hängen aber auch mit dem Druck aus dem Parlament zusammen.
Der Tenor: Der Zivildienst sei mit dafür verantwortlich, dass die Armeebestände gesunken seien. Bürgerliche Sicherheitspolitiker, wie CVP-Mann Jakob Büchler, fordern darum seit langem Korrekturen. Büchler würde lieber weitergehen.
Er wäre dafür, dass der Zivildienstleistende 1,8 Mal mehr Diensttage absolvieren müsste. Die Vorschläge aus dem Volkswirtschaftsdepartement sieht er aber positiv: «Wir müssen kleine Schritte machen, um zum Ziel zu kommen. Es geht um unsere Armee und ihre Bestände.»
SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher dagegen versteht die Debatte um den Zivildienst nicht. Es sei falsch, Zivildienst und Militär gegeneinander auszuspielen: «Es braucht beides. Man sollte nicht das Militär auf dem Buckel des Zivildienstes stärken», so die Thurgauerin.
Vorschläge bald Makulatur?
Die Zivildienstleistenden am Greifensee wären von den Änderungen kaum mehr betroffen. Aber sie halten auch so wenig davon, den Zivildienst zugunsten der Armee weniger attraktiv zu machen. Zivi Marius hat dazu eine klare Meinung: «Die Armee sollte sich verbessern und attraktiver für die Jungen werden.»
Tatsächlich brütet man auch in der Armee über Möglichkeiten, die Bestände zu erhöhen. Im VBS von Bundesrat Guy Parmelin gibt es dazu Ideen, die man in Absprache mit dem Departement Schneider-Ammann entwickelt hat.
Dazu gehört etwa, dass die Rekrutenschule etwas weniger anstrengend werden soll. Eine Weichenstellung wird schon ein Entscheid morgen im Nationalrat sein: Eine Mehrheit der sicherhheitspolitschen Kommission möchte den Zivildienst zum Militär ins VBS verlagern. Bekäme dieser Vorschlag eine Mehrheit in beiden Räten, wäre Bundesrat Schneider-Amman nicht mehr zuständig und seine Reformideen Makulatur.