- 45 Prozent der Schweizer Einwohnerinnen und Einwohner halten das Zustimmungsprinzip «Nur-Ja-heisst-Ja» für die beste Lösung, um Betroffene vor sexualisierter Gewalt zu schützen.
- Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts GFS Bern im Auftrag von Amnesty International Schweiz zur Reform des Sexualstrafrechts.
- Bei Frauen, Jungen und queeren Menschen, die auch objektiv am stärksten von sexualisierter Gewalt betroffen sind, ist die Unterstützung für die Reform besonders hoch.
Die Umfrage von GFS Bern zeigt: Geht es um den Schutz vor sexualisierter Gewalt, fallen das aktuell geltende Nötigungsprinzip bei weiten Teilen der Befragten durch. Ebenso die Ablehnungslösung («Nein heisst Nein»), welche als Alternative zur Zustimmungslösung diskutiert wird. «Für die Beibehaltung des Status quo im Sexualstrafrecht spricht sich nur eine kleine Minderheit von 13 Prozent aus», lässt sich Cloé Jans von GFS Bern in einer Mitteilung zitieren.
Beleuchtet man die Antworten nach Alter und Geschlecht, zeigt sich: Die Hälfte der 18- bis 39-Jährigen beurteilen die Zustimmungslösung als beste Option zum Schutz von Betroffenen. Bei den über 65-Jährigen sind es 40 Prozent. Besonders gross ist die Unterstützung für das Nur-Ja-heisst-Ja-Prinzip bei Frauen: 47 Prozent sprechen sich dafür aus. Bei den Männern sind es 44 Prozent.
Befragung deutet auch auf problematische Verhalten hin
Laut den Ergebnissen von GFS Bern, gibt die grosse Mehrheit der Befragten an, sich bei den Themen Beziehung und Sexualität rücksichtsvoll zu verhalten. Es werde aktiv sichergestellt, dass das Gegenüber mit sexuellen Handlungen einverstanden sei. «Die Studie macht jedoch immer wieder Gruppen ersichtlich, deren Antworten auf problematisches Verhalten und Einstellungen hinweisen», wird Cloé Jans weiter zitiert.
Wenn das Gegenüber irgendwann früher einmal zu Sex zugestimmt habe, werte dies beispielweise rund jede fünfte Person mindestens eher als Einwilligung. Und: «Rund jede zehnte Person findet, Geschlechtsverkehr mit dem Partner oder der Partnerin sei unter bestimmten Umständen in Ordnung, auch wenn das Gegenüber aktuell nicht zugestimmt hat.» Solche problematischen Ansichten seien unter Männern «signifikant stärker verbreitet als unter Frauen», schreibt das Forschungsinstitut in seiner Mitteilung.
Amnesty appelliert an Parlament, Verantwortung wahrzunehmen
Wie aus der Umfrage weiter hervorgeht, ist eine Mehrheit der Befragten der Meinung, das Parlament sei besonders gefordert, sexualisierte Gewalt hierzulande zu bekämpfen.
Amnesty International Schweiz, welche die Umfrage bei GFS Bern in Auftrag gegeben hat, appelliert an die eidgenössischen Räte, ihre Verantwortung wahrzunehmen. «Ein neues Sexualstrafrecht sollte sich an den Realitäten und Bedürfnissen der Menschen orientieren, die am stärksten von sexualisierter Gewalt betroffen sind und jetzt eine Verbesserung benötigen», lässt sich Alexandra Karle, Geschäftsleiterin von Amnesty Schweiz, zitieren.
Amnesty setzt sich laut Mitteilung aktiv für eine Zustimmungslösung im Schweizer Sexualstrafrecht und eine Neudefinition des Vergewaltigungstatbestandes ein. Der Ständerat wird in der Sommersession über die Reform beraten.