Der gesellschaftliche Konsens ist klar: Bei einer sexuellen Handlung braucht es die Zustimmung aller Beteiligten. Die «Nur Ja heisst Ja»-Variante widerspiegelt diesen Konsens. Anders wäre es bei der «Nein ist Nein»-Variante. Die Widerspruchslösung setzte die verbale oder nonverbale Abwehr voraus, also eine aktive Abwehr der sexuellen Handlung.
Obwohl sich die Fraktionen der SVP, der FDP und der Mitte gegen die «Nur Ja heisst Ja»-Variante aussprachen, obsiegte im Nationalrat diese Lösung. Dies kann auch den bürgerlichen Frauen im Rat zugeschrieben werden, namentlich jenen aus FDP und Mitte. Sie kamen zu anderen Schlüssen als ihre Fraktionskollegen.
Argumente bürgerlicher Männer verhallten
Vergeblich monierten Bundesrat und bürgerliche Nationalräte, die Widerspruchslösung sei klarer als die Zustimmungslösung. Selbst ein Ja könne ein Ja aus Angst oder Unsicherheit sein und gar nicht dem Willen der Person entsprechen.
Hingegen könne Weinen oder Wegstossen nicht als Zustimmung missverstanden werden. Die «Nein heisst Nein»-Variante sei deshalb auch juristisch einfacher zu handhaben. Zudem würde den Opfern falsche Hoffnung gemacht, mit der Zustimmungslösung würden mehr Prozesse gewonnen.
Dies sei mitnichten so, sagten namentlich die Linken: Niemand rechne sich falsche Chancen aus. Tatsache ist: Die Unterschiede zwischen den Varianten sind in der Praxis eines Strafprozesses minim. Denn das Fehlen des unausgesprochenen Nein ist ebenso schwierig zu beweisen wie das Fehlen des unausgesprochenen Ja.
Die Staatsanwaltschaft muss weiterhin die Beteiligten mehrfach befragen, sie muss dem Täter oder der Täterin auch weiterhin Vorsatz und Schuld nachweisen. Dies bei einem Delikt, bei dem in der Regel nur zwei Personen anwesend waren.
Signalwirkung überzeugte
Trotzdem befürworteten viele im Rat die Zustimmungslösung. Denn für sie ist klar: Die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung setzt ein anderes Signal. Sexuelle Selbstbestimmung bedeutet, sexuelle Handlungen zwischen zwei Personen finden auf Augenhöhe statt, in gegenseitigem Einverständnis. Während die «Nein heisst Nein»-Lösung signalisiert: Sexuelle Handlungen sind so lange erlaubt, bis eine Person Ablehnung signalisiert.
Zudem werde, so die Befürworterinnen der Zustimmungslösung, dem Opfer bei einer Vergewaltigung bei der «Nein heisst Nein»-Variante eine Mitschuld zugesprochen, weil es sich nicht gewehrt hat.
Etappensieg für Parlamentarierinnen
Für die meisten Frauen im Rat bedeutet der Entscheid heute ein Etappensieg. Allerdings steht ihnen ein steiniger Weg bevor, denn der Ständerat ist gegen die Zustimmungslösung. Er dürfte sich bei der nächsten Runde nicht so einfach überzeugen lassen.