- Die Rechtskommission des Nationalrats hat sich dem Sexualstrafrecht angenommen.
- Mit 15 zu 10 Stimmen spricht sich die Kommission für die «Ja heisst Ja»-Lösung aus.
- Der Ständerat war klar für die «Nein heisst Nein»-Lösung.
In der kleinen Kammer hatte die Rechtskommission während der Sommersession vorgeschlagen, dass zusätzlich zur «sexuellen Belästigung» und zur «sexuellen Nötigung» der «sexuelle Übergriff» als neuer Tatbestand eingeführt wird.
Welche Kammer setzt sich durch?
Die Mehrheit der Kommission im Ständerat entschied sich für die «Nein heisst Nein»-Regelung. Sie ging davon aus, dass das Opfer den ablehnenden Willen praktisch immer zum Ausdruck bringen kann, sei es verbal oder nonverbal. Auch der Bundesrat hat sich für diese Lösung ausgesprochen.
Bei der «Ja heisst Ja»-Regelung – auch bekannt als «Zustimmungslösung – müssen beide Partner ihre Zustimmung zum Sex geben – sonst ist es eine Vergewaltigung.
Für die «Ja heisst Ja»-Lösung stimmten in der Kommission SP, Grüne, GLP und FDP. Das links-grüne Lager reagierte kurz nach Publikation des Entscheids erfreut. Das Bekenntnis der Rechtskommission zu «Nur Ja heisst Ja» sei ein Erfolg für alle Menschen, die seit Jahren für ein zeitgemässes Sexualstrafrecht kämpfen, schrieb die Grüne Partei. Der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung würde so endlich im Gesetz verankert.
Die SP Frauen sprachen von einem «Meilenstein beim Sexualstrafrecht». Die Kommission beweise Haltung, indem sie bei der Vergewaltigungsdefinition die von Fachorganisationen, Gewaltbetroffenen und der feministischen Bewegung geforderte «Nur Ja heisst Ja»-Lösung unterstütze.
Angepasste Verjährungsfristen
Die Minderheit der Kommission warnt gemäss Mitteilung dagegen vor einem «Symbolstrafrecht» und befürchtet, dass sich mit der Zustimmungslösung eine Beweislastumkehr verbindet. Sie schliesst nicht aus, dass die Änderungen im materiellen Strafrecht zu überzogenen Erwartungen bei Opfern von Sexualdelikten führten, denen eine Mitwirkung in einem Strafverfahren nicht erspart werden könne.
Die Kommission befasste sich auch mit den Sanktionen im Sexualstrafrecht. Sie hat es mit unterschiedlichen Stimmenverhältnissen abgelehnt, bei sämtlichen Sexualdelikten die Geldstrafe zu streichen oder für einzelne Delikte massiv höhere Freiheitsstrafen oder Mindeststrafen vorzusehen. Lediglich beim Tatbestand der Vergewaltigung beantragt sie die Streichung der Geldstrafe.
Keine Zustimmung in der Kommission fand der Beschluss des Ständerats, bei der qualifizierten Form der Vergewaltigung eine Mindeststrafe von «mehr als zwei Jahren» vorzusehen, womit immer auch der bedingte Freiheitsentzug ausgeschlossen würde. Wie im ursprünglichen Entwurf vorgesehen, beantragt die RK-N für diese Delikte eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr.
Die Kommission hat die Vorlage überdies zum Anlass genommen, dem Rat eine Änderung der Verjährungsfristen zu beantragen. Bereits heute sind Sexualdelikte unverjährbar, wenn sie an Kindern unter zwölf Jahren begangen werden. Knapp beantragt die Kommission dem Rat, diese Altersgrenze auf 16 Jahre zu erhöhen.