Das Schweizer Sexualstrafrecht wird revidiert. Nicht nur linke, sondern auch viele bürgerliche Frauen fordern ein «Ja heisst Ja»-Prinzip. Damit bräuchte es die Zustimmung beider Partner beim Sex, damit keine Vergewaltigung vorliegt. Mitte-Ständerätin Heidi Z'graggen ist eine Ausnahme. Sie verteidigt die Widerspruchslösung, genannt «Nein heisst Nein».
SRF News: Frau Z'graggen, das Prinzip «Ja heisst Ja» findet in der Bevölkerung mehr Zustimmung als «Nein heisst Nein». Im Ständerat ist es anders. Haben Sie eine gesellschaftliche Entwicklung verpasst?
Heidi Z'graggen: Nein, im Gegenteil. Also ich verstehe vollkommen, dass in der Bevölkerung die Frage zur Zustimmung zu Sexualkontakten so eine hohe Zustimmung geniesst. Selbstverständlich sind sexuelle Handlungen einvernehmlich zwischen zwei Partnern vorzunehmen.
Ich sehe keinen Geschlechtergraben.
Im Strafrecht geht es um eine andere Frage: Was soll bestraft werden? Und wie kann man es am besten erfassen?
Die Mitte-Frauen unterstützen die «Ja heisst Ja»-Lösung, die FDP-Frauen ebenfalls. Es gibt einen gewissen Geschlechtergraben. Sie unterstützen das «Nein heisst Nein», sind also eine Ausnahme. Was gibt für Sie den Ausschlag?
Ich sehe keinen Geschlechtergraben. Ich sehe eine hohe Übereinstimmung, dass das Sexualstrafrecht den gesellschaftlichen Gegebenheiten angepasst werden soll. Und das macht die Vorlage der Rechtskommission. Heute gilt als Vergewaltigung, wenn ein Opfer genötigt wird. Neu würde als Vergewaltigung gelten, wenn ein Opfer verbal oder nonverbal ein Nein zum Ausdruck gebracht hat. Das ist ein Quantensprung im Sexualstrafrecht.
Die letzte Revision ist bereits 30 Jahre her. Da braucht es wahrscheinlich auch einen Quantensprung. Weshalb denn nicht die «Ja heisst Ja»-Lösung, was stört Sie daran?
Das ist richtig, es braucht einen Quantensprung. Wir müssen Sexualdelikte verfolgen können und auch angemessen bestrafen können. Die «Ja heisst Ja»-Lösung hat aber ein Problem. Sie setzt eigentlich voraus, dass Sexualität erst dann legal ist, wenn ein Ja vorliegt.
Ein Opfer kann ein Nein ausdrücken, verbal oder nonverbal.
Die «Nein heisst Nein»-Lösung ist eine realistischere, eine positivere Grundhaltung. Sie geht davon aus, dass Menschen einvernehmlich Sexualkontakt haben und erst mit dem Ausdruck des Neins eine sexuelle Handlung ablehnen. Ausserdem gehe ich stark davon aus, dass in einem Gewaltumfeld oder in einer Gewaltsituation das Opfer ein Nein viel einfacher ausdrücken kann, weil das ein natürlicher Reflex des Menschen ist, eine Abwehrhaltung zu zeigen.
Es gibt aber das Problem des Freezing, sprich, dass jemand erstarrt während einer Vergewaltigung und kein Nein äussern kann. Das wird mit der «Ja heisst Ja»-Lösung abgedeckt, mit der «Nein heisst Nein»-Lösung aber nicht.
Die Variante der Mehrheit der Rechtskommission deckt in verschiedenen Artikeln dieses Freezing, dieses Erstarren, dieses nonverbale Ablehnen, ab.
Es gibt jetzt aber einen Vorschlag einer Ihrer Ratskolleginnen, dass nonverbale Ablehnung im Gesetz stehen soll. Unterstützen Sie das?
Ich habe gewisse Sympathien für diesen Vorschlag, möchte ihn aber schon noch genauer, vertiefter anschauen. Es geht darum, dass man im Vergewaltigungs-Tatbestand eben explizit sagt: Ein Opfer kann ein Nein ausdrücken, verbal oder nonverbal. Eigentlich ist das in dieser Vorlage schon enthalten. Hier würde es einfach noch verdeutlicht oder explizit festgehalten.
Das Gespräch führte Larissa Rhyn.