Der Schritt ist so einzigartig wie die gesamte Affäre um Pierre Maudet. Der 42-Jährige tritt zurück, um sogleich für seine eigene Nachfolge anzutreten. Ein einmaliges Manöver in der Schweizer Politik. Nach zwei Jahren, in denen Maudet die Genfer Politik in Atem gehalten hat, kommt es somit zur Entscheidung.
Maudet war am Mittwoch endgültig entmachtet worden. Grosse Teile seines ursprünglichen Schlüsseldepartements für Wirtschaft und Sicherheit hatte er schon abgeben müssen. Geblieben war ihm einzig die Wirtschaftsförderung mit rund 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese wurden ihm am Mittwoch auch noch entzogen. Auslöser war ein externes Gutachten zur hohen Zahl an krank geschriebenen Mitarbeitern in seinem Departement. Mehrere Angestellte machten geltend, dass sie massiv unter Druck gesetzt worden seien. Die Regierung unterstellte die Wirtschaftsförderung deshalb Finanzministerin Nathalie Fontanet (FDP) und begründete den Schritt mit dem Schutz der Angestellten.
Stolperstein Abu-Dhabi-Reise im Jahr 2015
Pierre Maudet bezeichnete das bei seiner Rücktrittsankündigung am Donnerstag als Vorwand. Er sei öffentlich gedemütigt worden von der Regierung. Er gab zu, dass er viel von seinen Angestellten verlangt habe. In der Coronakrise war sein Departement auch besonders aktiv und fand unter anderem lange vor dem Bund einen Kompromiss für die Geschäftsmieten.
Pierre Maudet hätte schon vor zwei Jahren zurücktreten und den Ausgang der Strafuntersuchung wegen Vorteilsannahme abwarten können. Die läuft gegen ihn wegen einer Reise nach Abu Dhabi im Jahr 2015, bei der ihm und seiner Familie ein Aufenthalt in einem Luxushotel und ein Besuch beim Formel-1 Grand Prix bezahlt wurden. Deswegen droht ihm ein Gerichtsprozess, der noch vor den Ersatzwahlen angesetzt werden könnte. Der Ausgang dieses Prozesses wird mitentscheidend sein für die Frage, ob Pierre Maudet wiedergewählt wird.
Grosser Unmut über die Affäre Maudet
Bislang hatte er einen Rücktritt immer ausgeschlossen, er klammerte sich an sein Amt, bis sich alle von ihm abwandten. Die FDP schloss den früheren Bundesratskandidaten diesen Juli aus der Partei aus. Maudet war zwar bei den letzten Wahlen mit dem besten Resultat wiedergewählt worden, dennoch geht er ein grosses Wagnis ein. Es ist unklar, wie viel seiner früheren Wählerbasis noch zu ihm hält. Seiner früheren Partei, der FDP, schlug bei den letzten Urnengängen jeweils ein harter Wind entgegen. Viele Genferinnen und Genfer äusserten gegenüber der Partei ihren Unmut über die Affäre Maudet, etwa bei Wahlständen auf der Strasse.
Nun dürfte die FDP ihren zweiten Sitz in der Regierung verteidigen wollen und eine eigene Kandidatin oder einen eigenen Kandidaten aufstellen. Die SP hingegen ruft bereits dazu auf, dass die Linke geschlossen antritt und den Sitz von Pierre Maudet erobert. Eines haben aber Politiker aus allen Lagern gemein – sie sind erleichtert, dass Maudet zurücktritt und hoffen, dass dieses Manöver das Ende der politischen Karriere von Pierre Maudet besiegelt. Maudet tritt damit als unabhängiger Kandidat gegen alle anderen an. Er setzt damit auf die letzte Karte, die ihm noch bleibt: Ein Showdown an der Wahlurne. Ob dem früheren «Animal politique» dieser letzte Coup gelingt, ist fraglich.