Nach der sportlichen Tristesse in Katar sprang in Bern die Politik in die Bresche. In 90 Minuten (plus Verlängerung) bot die Bundesratswahl eine emotionale Achterbahnfahrt: Wehmut, Jauchzer, enttäuschte Hoffnungen und ein unerwarteter Triumph. Wer Politik als blutleere Angelegenheit bezeichnet, wurde an diesem nasskalten Dezembermorgen eines Besseren belehrt.
Wenn der Vorhang fällt...
Himmelhochjauchzend und nur etwas betrübt verabschiedete sich Bundesrat Ueli Maurer aus der Landesregierung.
Frotzelnd, selbstironisch und doch staatsmännisch läutete der SVP-Magistrat das Zeremoniell ein – und bekam zum Schluss auch warmen Applaus von der Ratslinken.
In ihrer Abschiedsrede bedankte sich Simonetta Sommaruga beim «lieben Ueli» für die nicht immer einfache, aber produktive Zusammenarbeit im Bundesrat.
Die Berner Sozialdemokratin tritt wegen eines Schlaganfalls ihres Mannes aus der Regierung zurück. Die Würdigung von Nationalratspräsident Martin Candinas berührte sie sichtlich.
Kleine Fauxpas am grossen Tag
Berno-Romantsch, Französisch, Italienisch und Deutsch: Von wegen behäbiger Berner. Locker, leichtfüssig und eloquent nahm Albert Rösti die Wahl zum Bundesrat an. Und garnierte sie mit einem rührenden Dankeschön an seine «allerliebste Therese, die mich von allen am besten kennt und trotzdem immer noch liebt.»
Weniger perfekt orchestriert war die Vereidigung: Etwas gar voreilig hielt Rösti seine Hand zum Schwur hoch. Aber man wird ja nur einmal Bundesrat.
Wie es sich für eine Sensationssiegerin gehört, improvisierte Elisabeth Baume-Schneider am Rednerpult. «Ich wollte zwei schöne Sätze an meine Freunde aus dem Tessin und dem Graubünden richten», bedauerte die erste Bundesrätin aus dem Jura.
«Aber ich kann die Zeilen nicht in meinem Manuskript finden. Nächstes Mal hole ich das nach!», versprach die bisherige SP-Ständerätin – und erntete so manchen Lacher im Ratssaal.
Die Unterlegenen nehmen es sportlich
Ganz anders die Stimmungslage bei ihrer Parteikollegin. Für Eva Herzog bleibt die Türe zum Bundesratszimmer verschlossen. Als Top-Favoritin aus dem mondänen Basel angetreten, musste sie sich der bislang wenig bekannten Herausforderin aus dem beschaulichen Jura geschlagen geben.
Unter den versteinerten Mienen der drei Eidgenossen im Bundeshaus erklärte Herzog ihre Niederlage. «Ich habe immer gewusst: Es kann so und auch anders kommen, und es gibt nur einen Sieger. Das ist wie im Sport.»
Ihre Worte gemahnten an die Interviews der deutschen Nationalmannschafts-Stars in Katar. Auch sie waren in einer «Gruppe» ausgeschieden, die die versammelten Experten für machbar gehalten hatten.
Der unterlegene Hans-Ueli Vogt gab sich derweil zufrieden damit, bis in die Endrunde vorgestossen zu sein. «Ich freue mich und fühle mich geehrt, dass ich einer der beiden Kandidaten sein durfte. Und ich mag es Albert Rösti von Herzen gönnen.»
Auf mehrfache Nachfrage wies Vogt jede Enttäuschung von sich. «Sie sind jetzt der fünfte Journalist, der mir das einreden will. Aber ich horche in mich hinein und spüre keine Enttäuschung.» Die drei Eidgenossen im Hintergrund nickten anerkennend.