Die EU hat jüngst beschlossen, dass jedes Mitglied seinen Gaskonsum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 freiwillig um 15 Prozent drosselt. Zieht die Schweiz nach? Umweltministerin Simonetta Sommaruga nimmt Stellung und sagt, wie Unternehmen und Private mithelfen können, eine allfällige Energiekrise zu bekämpfen.
SRF News: Wegen der Energiesituation muss das Kraftwerk Beznau weiterproduzieren, gefährdete Fische hin oder her. Wie schlimm steht es um unsere Energielage?
Simonetta Sommaruga: Die Situation ist angespannt. Wir haben eine weltweite Energiekrise mit Epizentrum in Europa. Mit dem AKW Beznau ist es momentan so, dass wir – wie immer im Sommer – Strom exportieren, im Winter dann aber auf Importe angewiesen sind. Das heisst, wir müssen auch mit unseren europäischen Nachbarn schauen, dass wir gut aufeinander abgestimmt sind.
Ging es bei Beznau nicht vielmehr darum, unsere eigenen Speicherseen nicht zu leeren, weil wir diese im Winter noch brauchen?
Im Moment kann kein Land nur für sich schauen. Bei Gas und Öl sind wir zu 100 Prozent vom Ausland abhängig. Von daher besteht ein grosses Interesse, sich gut abzusprechen. Und gleichzeitig muss jedes Land das tun, was möglich ist, um auf eine allfällige Krise vorbereitet zu sein.
Was konkret ändert sich denn nun nach dem Austausch mit europäischen Staaten?
Die EU verlangt Notfallpläne von ihren Mitgliedstaaten, das macht die Schweiz nun auch und schaut, dass diese möglichst gut aufeinander abgestimmt sind.
Die EU hat auch Pläne, wie sie Gas einsparen kann. Und hier sollte sich die Schweiz ebenfalls mit der EU abgleichen, finde ich.
Das heisst, die Schweiz soll auch 15 Prozent Gas sparen von August bis März?
Das wird der Bundesrat entscheiden. Wir prüfen das, denn es ist wichtig, der EU zu zeigen: Auch wir leisten einen Beitrag. Die Industrie ist da übrigens schon dran. Mit den hohen Preisen schaut jeder, wie er effizienter werden kann.
Wie könnte man die 15 Prozent Gas denn einsparen?
Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, Zwei-Stoff-Anlagen beispielsweise – dass man einen Prozess also mit Öl statt mit Gas durchführt.
Steigen Unternehmen von Gas auf Öl um, stossen sie aber mehr CO₂ aus – dann können sie ihre CO₂-Ziele nicht mehr erreichen. Was sagen Sie dann?
Solche Fragen muss der Bundesrat nun anschauen. Wir haben die Gasbranche beauftragt, mehr Gas einzukaufen und einzulagern. Zum ersten Mal werden wir im nächsten Winter auch Reserven in den Stauseen haben, und wir haben einen Rettungsschirm für grosse Stromunternehmen. Wir haben in den letzten Monaten wirklich viele Entscheidungen gefällt.
Das heisst, der Bundesrat wird Unternehmen, die nun unter Umständen «dreckiger» werden, allenfalls entgegenkommen?
Das werden wir anschauen. Für die Energieversorgungssicherheit für den Winter müssen ganz viele Staaten Dinge tun, die sie eigentlich lieber nicht tun würden. Der grüne Energieminister in Deutschland beispielsweise muss wieder auf Kohle setzen.
Für die Energieversorgungssicherheit müssen ganz viele Staaten Dinge tun, die sie eigentlich lieber nicht tun würden.
Aber wir müssen uns auch bewusst sein: Ende Winter ist die Krise nicht vorbei. Darum ist es etwas vom Wichtigsten, die Produktion von erneuerbaren Energien auszubauen.
Sollten denn nun auch wir alle schon Strom sparen?
Wir arbeiten – zusammen mit der Wirtschaft und der Industrie – an einer Kampagne, um aufzuzeigen, was jeder einzelne von uns beitragen kann.
Was machen Sie persönlich?
Im Moment geht es darum, sich zu fragen, ob eine Klimaanlage laufen muss oder ob es auch ohne geht. Man kann zum Beispiel auch weniger lang duschen. Es gibt Sachen, die jeder machen kann.
Das Gespräch führte Nathalie Christen.