Seit den 1980er-Jahren sei er als Mitarbeiter einer Zulieferfirma im Kernkraftwerk Gösgen tätig gewesen. Bis vor kurzem, sagt der Mann, der anonym bleiben möchte. Früher sei alles in Ordnung gewesen, doch heute werde der Brandschutz vernachlässigt.
«Das neue Strahlenschutzgesetz sagt, dass ein Kernkraftwerk laufen kann, wenn es dem neusten Stand der Technik entspricht. Und das ist leider halt in Gösgen und in den anderen Kernkraftwerken nicht mehr der Fall.» Die Zeit sei abgelaufen, so der Mann, «und da muss man auch Druck machen.»
Problemzone Brandschutzklappen
Ganz konkret meint er die sogenannten Brandschutzklappen, die beim Bau fest einbetoniert wurden. Von diesen gibt es rund 700 im Kernkraftwerk Gösgen. Das sind Klappen, die sich im Brandfall schliessen, um zu verhindern, dass sich das Feuer von einem Raum in andere ausbreitet. Die allermeisten dieser Brandschutzklappen seien so alt wie das Kernkraftwerk – nämlich fast 40-jährig
Da kann man gar nichts mehr reparieren.
«Da kann man gar nichts mehr reparieren. Es gibt keine Hersteller mehr», so der ehemalige Mitarbeiter der Zulieferfirma. Zudem habe das AKW Gösgen keine Brandschutzklappen mehr auf Lager.
Massnahmen gefordert
Weil ein Brand in einem Atomkraftwerk katastrophale Folgen haben kann, seien umgehend Massnahmen zu ergreifen, fordern die Kritiker – nicht nur in der Schweiz. Auch in vielen anderen Kernkraftwerken in Europa seien die Brandschutzklappen alt und in problematischem Zustand.
Zu diesem Schluss kommt das Recherche-Netzwerk Correctiv, das auch in Deutschland und Frankreich mit Experten, Kraftwerksbetreibern und Aufsichtsbehörden gesprochen hat.
Das Kernkraftwerk Gösgen ist brandschutztechnisch sicher.
Beim Kernkraftwerk Gösgen hat man für die Kritik kein Verständnis. Barbara Kreyenbühl, die Leiterin Kommunikation, betont: «Das Kernkraftwerk Gösgen ist brandschutztechnisch sicher. Brandschutz ist ein dauernder Prozess und das KKG modernisiert die technischen Brandschutzeinrichtungen fortlaufend.» Die sicherheitsrelevanten Systeme seien mehrfach vorhanden. «Brandschutz, Löscheinrichtungen und die Betriebsfeuerwehr garantieren den Brandschutz im Kernkraftwerk Gösgen voll und ganz.»
Ensi steht hinter AKW Gösgen
Diesen Befund – dass der Brandschutz gewährleistet sei – bestätigt auch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi auf Anfrage. Allerdings hat die Aufsichtsbehörde bei einer Routinekontrolle im Jahr 2016 tatsächlich Probleme beim Brandschutz festgestellt.
Das Ensi schreibt auf der Website: Bei einem Test von Brandschutzklappen im Schaltanlagengebäude am 15. Dezember 2016 erreichten nicht alle Klappen exakt die vorgesehene Endstellung. Dies manifestierte sich in einer fehlenden Rückmeldung der Endschalter.
Und anlässlich einer durch das Vorkommnis ausgelösten Inspektion im April 2017 stellte das Ensi fest, dass die Brandschutzklappen des betroffenen Typs nicht mehr dem heutigen Stand der Technik entsprechen. Es verlangte deshalb vom Kernkraftwerk Gösgen – kurz KKG – ein Konzept für deren Ersatz einzureichen.
Eine Million pro Jahr für Brandschutz
Ein erstes solches Konzept hat das KKG Ende 2017 eingereicht. Im Frühling dieses Jahres aber hat das Ensi ein weiteres sogenanntes Detailkonzept verlangt, welches die Betreiberin vor wenigen Tagen eingereicht hat, wie Kreyenbühl bestätigt. Was drinsteht, will die Kommunikationsverantwortliche des KKG nicht verraten.
Nur so viel: «Das Kernkraftwerk Gösgen modernisiert die technischen Brandschutzeinrichtungen wie erwähnt fortlaufend. Zu diesen Einrichtungen gehören die Brandmeldeanlage mit Brandmeldezentrale, mit Brandmeldern und mit Brandschutztüren. In den letzten Jahren hat das KKG eine Million pro Jahr für den Brandschutz ausgegeben. Das Ensi prüft zurzeit die neuen Pläne des Kernkraftwerks Gösgen zur Verbesserung des Brandschutzes. Grundsätzlich misst das Nuklearsicherheitsinspektorat dem Vorkommnis «eine geringe Bedeutung für die nukleare Sicherheit» bei.