Misst man die aktuelle Gefährdungslage am Umfang des sicherheitspolitischen Berichts, ist unsere Welt heute viel sicherer als vor fünf Jahren. Damals erschien der letzte Bericht. Er war 143 Seiten dick. Die Neuauflage zählt nur 43 Seiten. Ist die Welt seit 2016 also sicherer und übersichtlicher geworden? Im Gegenteil. «Wir leben in turbulenten Zeiten, in einer Welt, die unberechenbarer und weniger stabil ist,» sagt Verteidigungsministerin Viola Amherd.
Keine unmittelbare Bedrohung, aber...
Der Bericht zeigt einen ungeschminkten Blick auf die Welt – in weiten Teilen einen nachrichtendienstlichen Blick: nüchtern, analytisch, kalt.
Die geopolitische Grosswetterlage: Die Grossmächte liefern sich ein Wettrüsten, Terrororganisationen planen Anschläge, die Spannungen zwischen Russland und der Nato steigen, an den Rändern Europas kommt es vermehrt zu bewaffneten Konflikten. Der Bericht blickt aber auch auf die Schweiz, die trotz dieser «sicherheitspolitischen Trends» nicht unmittelbar militärisch bedroht sei, heisst es im Bericht.
Trotzdem bleiben Gefahren. So in der Einflussnahme von aussen. Gerade im Zusammenhang mit dem Machtstreben Chinas und Russlands nennt der Bericht prominent Beeinflussungsaktionen und Desinformationskampagnen. Das sei Teil des heutigen Konfliktbildes, Teil der sogenannten «hybriden Konfliktführung» unter der Kriegsschwelle.
Demokratie in Gefahr
Der Bundesrat befürchtet, dass ausländische Staaten Einfluss auf die direkte Demokratie nehmen könnten; den Ausgang von Volksabstimmungen beeinflussen wollen. Die freie Meinungsbildung könne so bedroht oder gar die demokratische Ordnung unterminiert werden. Das wäre gerade in einer direkten Demokratie, in der das Volk oft das letzte Wort hat, tatsächlich sehr gefährlich.
Konkrete Ereignisse nennt der Bericht allerdings keine. Vor einem Jahr sprach der Bundesrat in einem Papier zur Bedrohungslage davon, dass staatliche und nicht-staatliche Akteure versuchen könnten, Abstimmungen über Rüstungsprojekte zu beeinflussen. Dies ein paar Monate vor der Abstimmung über die Beschaffung neuer Kampfjets.
Bisher seien solche Beeinflussungsaktionen ausgeblieben, sagt Bundeskanzler André Simonazzi nun. Dies habe ein Monitoring der Bundeskanzlei mit dem Nachrichtendienst des Bundes NDB ergeben.
Weil sich das aber ändern könne, will der Bund in diesem Bereich einen Schwerpunkt setzen. Er wird hier – verglichen mit anderen Ländern – spät aktiv. Die EU hat seit 2015 eine Taskforce, die Fakenews und Desinformationskampagnen aufspürt und Belege sammelt und seit 2018 auch einen Aktionsplan gegen Desinformation mit einem Schnellwarnsystem.
Mehr als Gefahrenabwehr
Es ist nicht unproblematisch, wenn der Bund hier aktiv wird. Es darf nicht passieren, dass Schweizer Parteien, Verbände und Organisationen unter den Generalverdacht geraten, sie seien von aussen gesteuert, wenn sie ein Referendum oder eine Initiative lancieren, etwa zum Kauf von Rüstungsgütern.
Das Beispiel zeigt: Sicherheitspolitik wird heute breiter definiert und umfasst mehr Aspekte als die traditionelle militärische Gefahrenabwehr.
Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass die grössten Risiken für die Schweiz nicht von einer militärischen Bedrohung ausgehen. Als grösste Gefahren für die Schweiz nannte Amherd eine Pandemie, gefolgt von Naturkatastrophen. Erst an dritter Stelle folgt die Bedrohung durch Terrororganisationen. Wobei sie auch betonte, eine Rangliste der Gefahren sei schwer zu erstellen.