Das tönt nach guten Nachrichten für Prämienzahlerinnen und Prämienzahler: Die Krankenkassenprämien sollen 2020 gleichbleiben oder sogar sinken. Das sagte der Chef der Helsana, der grössten Schweizer Krankenkasse, in der «NZZ am Sonntag». Das hat etwa mit einer Zunahme ambulanter Behandlungen zu tun. Gesundheitsökonom Stefan Felder sagt aber: Die Prämien werden aus einem anderen Grund wieder steigen.
SRF News: Sind das wirklich gute Nachrichten?
Stefan Felder: Kurzfristig sicher. Aber mittel- und langfristig werden die alten Aufschläge wieder zurückkommen.
Warum gehen die Kosten zurück?
Wir haben eine Anpassung der Tarife im spitalambulanten und ambulanten Bereich gesehen. Zudem gab es Eingriffe der Kantone: Die Spitäler sind angehalten, gewisse Dinge nicht mehr zu operieren – das wird jetzt ambulant gemacht. Beides hat dazu geführt, dass die Ausgaben zurückgegangen sind, so dass die aktuellen Prämien ausreichen oder sogar noch gesenkt werden können.
Es sind also die Spitäler, die dazu beigetragen haben und nicht unbedingt wir, indem wir kostenbewusster geworden wären?
Richtig. Aber auch im ambulanten Bereich hat man einen kleinen Rückgang gesehen – jedenfalls nicht mehr die hohen Wachstumsraten, die wir bisher hatten.
Wenn die Spitäler ihre Patienten früher nach Hause schicken, ist das doch nicht nur gut?
Wir haben in der Schweiz im internationalen Vergleich immer noch eine relativ hohe Verweildauer. Aber dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Man kann heute minimalinvasiv operieren.
Käme es zu blutigen Entlassungen, würde sich das herumsprechen.
Das muss nicht auf Kosten der Patienten gehen. Da müssen die Spitäler auch vorsichtig sein. Denn käme es zu blutigen Entlassungen, würde sich das herumsprechen.
Gelten die gleichbleibenden oder sinkenden Prämien auch bei kleinen Krankenkassen?
Der Kanton Zürich hat viel unternommen, davon profitiert die Helsana. In anderen Kantonen, wo man beispielsweise die ambulanten Listen nicht hat, sind die Rückgänge nicht eingetroffen, so dass wir eine andere Situation haben. Es ist über die Kantone hinweg ziemlich heterogen.
Warum schaffen wir es nicht, dass wir längerfristig weniger Kosten produzieren?
Weil die Menschen in der Schweiz Gesundheit hoch schätzen. Die Einkommensentwicklung in den letzten zwanzig Jahren war gut – zwei Prozent mehr Einkommen pro Jahr. Das hat dazu geführt, dass die Nachfrage nach Gesundheit angestiegen ist.
Es stellt sich die Frage, ob alles über die Basisversicherung bezahlt werden soll oder man mehr der privaten Nachfrage überlässt.
Wir können davon ausgehen, dass es weiter ein Wachstum geben wird. Daher sehe ich eine Tendenz wie bisher. Die Frage ist natürlich, ob das alles über die Basisversicherung bezahlt werden soll oder man es der privaten Nachfrage überlässt.
Weil wir mehr verdienen, sind wir bereit, mehr für unsere Gesundheit auszugeben?
Ja. In städtischen Gebieten wie Zürich, Basel-Stadt oder Genf haben wir im Quervergleich eine deutlich höhere Nachfrage nach medizinischen Leistungen als in ländlichen Gebieten.
Wie wichtig sind Treiber wie neue, teure Krebstherapien für die Krankenkassenprämien?
Da kommt ein Preisschub. In allen Sektoren der medizinischen Versorgung gibt es über die Zeit gesehen eine starke Entwicklung von neuen Möglichkeiten der Behandlungen. Es ist sicher nicht verkehrt, dass wir eine Diskussion über die Preise im Bereich der Arzneimittelversorgung führen. Aber das Problem ist genereller Art.
Das Gespräch führte Simon Leu.