Der Bundesrat hat für einmal nicht in Bern getagt, sondern «Extra muros» im Münstertal im Osten Graubündens.
Nach der Bundesratssitzung am Vormittag im Kloster St. Johann in Müstair traf sich die Landesregierung bei einem Apéro mit der Bevölkerung.
Die Idee hinter der Begegnung sei, «dass die Bevölkerung uns sieht, mit uns sprechen kann und uns ihre Visionen der Schweiz mitteilen kann», erklärte Bundespräsident Ignazio Cassis.
Offenbar entsprach das in der romanischsprachigen Region am äussersten Rand der Schweiz einem Bedürfnis. Zum Apéro auf dem Dorfplatz erschienen gegen 11:30 Uhr gemäss der Schätzung anwesender Journalisten 400 bis 500 Menschen – notabene in einer Talgemeinde mit gerade mal 1400 Einwohnern. Die Anwesenden zeigten wenig Scheu und verwickelten die Regierungsmitglieder sogleich in rege Gespräche.
Allerdings nahmen nur vier Bundesratsmitglieder am Bevölkerungsapéro teil. Ueli Maurer, Simonetta Sommaruga und Guy Parmelin stiegen gleich nach der Bundesratssitzung wieder in einen Helikopter.
Wie aus dem Bundesratsumfeld zu erfahren war, mussten die drei Bundesräte an Konferenzen im Ausland «ihre Regierungstätigkeit weiterführen». Dass an einem «Extra muros» nicht der Gesamtbundesrat die Bevölkerung treffe, sei eine «absolute Ausnahme», hiess es. Für einen Ausgleich sorgte die Bündner Regierung, die in corpore erschien.
Realitäten in allen Landesteilen kennen
«Wir müssen die Realitäten in allen Landesteilen kennen, darum sind wir zu ihnen gekommen», sagte Cassis in einer kurzen Ansprache an die Bevölkerung. «Wir schätzen diese schöne Geste sehr», erklärte Gemeindepräsidentin Gabriella Binkert. Die Herausforderungen in der Randregion würden immer grösser, insbesondere die Naturgewalten und die Abwanderung.
Der Bündner Regierungspräsident Marcus Caduff sprach von einem Zeichen der Wertschätzung für das Münstertal und ganz Graubünden. Er dankte Cassis für die Sensibilität, die dieser in seinem Präsidialjahr für die Minderheitensprachen Romanisch und Italienisch gezeigt habe. Cassis hatte das Münstertal als «Extra-muros»-Sitzungsort ausgewählt. «Die Randregionen sind für mich als Vertreter einer südlichen Randregion besonders wichtig», erklärte er.
Zur Wahl des Klosters St. Johann als Sitzungsort sagte Cassis: «Es vereinigt Governance und Spiritualität, das ist mir wichtig.» Das UNESCO-Welterbe-Kloster sei zu Beginn ein Verwaltungsort gewesen.
Mit Superpumas und Postauto angereist
Ins abgelegene Gebirgstal waren sechs Bundesratsmitglieder um 9 Uhr morgens mit zwei Superpuma-Helikoptern der Schweizer Armee angereist. Empfangen wurden sie von Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die bereits am Vorabend privat das Postauto genommen hatte. Nach einem kurzen Besuch der Klosterkirche zog sich die Regierung zur Sitzung ins Kloster zurück.
Die Bundesratssitzungen «Extra muros» seit 2010
Es war bereits das 17. Mal, dass der Bundesrat weit weg von Bern tagte. «Extra muros» bedeutet auf Lateinisch «ausserhalb der Mauern». Dieser Brauch wurde 2010 eingeführt. Die Landesregierung will damit «ihre grosse Verbundenheit mit den Regionen der Schweiz zum Ausdruck bringen». In Graubünden hatte der Bundesrat zuvor noch nie getagt.
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