Wer beispielsweise in Gstaad im Berner Oberland Ski oder Snowboard fahren will, zahlt für eine Tageskarte nicht immer den gleichen Preis. Seit vier Jahren setzt Gstaad auf dynamische Preise. Wie viel ein Ticket kostet, berechnet ein Algorithmus aufgrund verschiedener Parameter wie Kalendertag, Buchungszeitpunkt, Auslastung oder das prognostizierte Wetter.
Die Preisspanne für eine Tageskarte fängt bei 49 Franken an und geht bis maximal 79 Franken. Vor Einführung des «Dynamic Pricing» kostete eine Tageskarte fix 65 Franken.
Vorwurf: Versteckte Preiserhöhung
Diese für die Kundinnen und Kunden undurchschaubare Preisfestlegung kritisiert die Stiftung für Konsumentenschutz seit jeher. Das Ganze habe nur ein Ziel: versteckt Mehrerträge zu erzielen. «Dynamische Preise sind im Durchschnitt eine Preiserhöhung und eine undurchsichtige Lotterie.
Man gaukelt den Leuten vor, dass sie wie im Lotto einen guten Treffer landen können, wenn sie am richtigen Ort und zur richtigen Zeit buchen, aber eigentlich zieht man den Leuten mehr Geld aus den Taschen», sagt Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz.
Eine Familie, die jetzt schon weiss, wann sie in die Skiferien geht, kann vom Frühbuchungsrabatt profitieren, der über 20 Prozent sein kann.
«Das stimmt so nicht», entgegnet Serge Grand, der als Direktor Ski bei Ticketcorner arbeitet. Ticketcorner hat das System «Dynamic Pricing» mitgestaltet und arbeitet mit verschiedenen Skigebieten zusammen, darunter mit Gstaad.
«Ein Kunde kann beispielsweise unter der Woche günstigere Tickets erwerben. Oder eine Familie, die jetzt schon weiss, wann sie in die Skiferien geht, kann vom Frühbuchungsrabatt profitieren, der über 20 Prozent sein kann.»
Es zeigt sich, dass mit einem dynamischen Preismodell ein Mehrertrag verdient werden kann.
Philipp Lütolf ist Dozent und Projektleiter an der Hochschule Luzern. Er hat die Auswirkungen von dynamischen Preisen auf Schweizer Bergbahnen vor zwei Jahren in einer umfangreichen Studie anhand von 65 Skigebieten untersucht.
«Es zeigt sich, dass mit einem dynamischen Preismodell ein Mehrertrag verdient werden kann.» Es gebe zwei Möglichkeiten, um mehr Umsatz zu generieren: «Entweder man hat mehr Gäste oder man verlangt mehr pro Gast», so Lütolf. Beim «Dynamic Pricing» spiele eher zweiteres eine Rolle.
Die Digitalisierung der Bergbahnen
Finanziell lohnt sich das dynamische Preissystem, bestätigt denn auch der Chef der Gstaader Bergbahnen. Man wolle aber nicht einfach grundsätzlich mehr vom einzelnen Gast verlangen. «Es geht vor allem auch darum, eine bessere Auslastung in der Zwischensaison zu erreichen», sagt Matthias In-Albon.
Dank des dynamischen Preissystems habe man rund 18 Prozent mehr Tickets verkaufen und den Durchschnittspreis um 20 Prozent erhöhen können, was rund 25 Prozent mehr Umsatz entspreche.
Und dank der Fokussierung auf den Online-Verkauf habe man Einsparungen bei den Kassen vornehmen können. Mit «Dynamic Pricing» ist die Digitalisierung bei den Bergbahnen angekommen.
Dynamische Preise auch in Österreich, Deutschland oder Frankreich
Rund zwei Drittel der grossen Schweizer Skigebiete setzten laut Forscher Philipp Lütolf auf dynamische Preise. Tendenz steigend. «Auch in Österreich, Deutschland und Frankreich folgen immer mehr Skigebiete der Schweiz und setzen auf dynamische Preise.»
Für die Skifahrerinnen und Snowboarder heisst das je länger je mehr: Wer früh bucht und Wetterglück hat, kann von dynamischen Preisen profitieren. Spontane Schönwetterfahrerinnen und -fahrer sicher nicht.