Fünf der sechs vermissten Skitourengänger sind im Gebiet Tête Blanche tot aufgefunden worden. Anjan Truffer von der Bergrettung Zermatt war bei der Bergung dabei. Im Gespräch erzählt er, was er auf dem Berg angetroffen hat. Die Gruppe habe zwar versucht, sich zu schützen, mit ihrem Material sei das aber sinnlos gewesen.
SRF News: Sie waren dabei, als die Personen gefunden wurden. Was haben Sie angetroffen?
Anjan Truffer: Als wir ankamen, sahen wir zwei Personen im Schnee liegen. Das sah nicht gut aus. An derselben Stelle fanden wir dann zwei weitere Personen. Sie waren jedoch vom Schnee verschüttet.
Wir mussten sie erst orten und freischaufeln.
Der Neuschnee und der Wind haben sie zugedeckt. Wir mussten sie erst orten und freischaufeln.
Mittlerweile wurden fünf Personen leblos gefunden. Woran starben sie?
Das Endresultat war klar, die Personen sind erfroren. Sie kamen in einen Sturm, verloren vermutlich die Orientierung und wussten nicht mehr, was tun. Sie riefen um Hilfe, wir konnten aber auch nichts machen und haben ihnen geraten, so gut wie möglich eine Schneehöhle zu graben, damit sie sich gemeinsam vor dem Wind und den Temperaturen schützen können.
Das haben sie aber gemacht?
Man hat gesehen, dass sie das versucht haben, aber leider waren sie sehr schlecht ausgerüstet, und mit diesen kleinen Schaufeln in dem harten Schnee war das ziemlich sinnlos.
Es ist davon auszugehen, dass es erfahrene Berggänger waren. Wieso waren sie so schlecht ausgerüstet?
Man geht davon aus, sie trainierten für die Patrouille des Glaciers und wollten wahrscheinlich möglichst leicht unterwegs sein. Entsprechend leicht war ihr Gepäck – möglichst wenig und leichte Kleidung, kleine Rucksäcke, ultraleichtes Material.
Welche Bedingungen herrschten am Berg?
Die Temperaturen lagen bei etwa Minus 15 oder Minus 18 Grad. Die Windgeschwindigkeiten waren sicher über hundert Kilometer pro Stunde.
Wie schätzen Sie das ein, dass die Gruppe am Samstag auf die Tour ging?
Das steht uns nicht zu, das zu beurteilen. Aber ich glaube, jeder vernünftige Bergsteiger, der den Wetterbericht gesehen hat, wäre vermutlich nicht gestartet.
Sie haben viele Einsätze miterlebt, ist ein solcher Einsatz mit vielen Opfern besonders speziell?
Solche Situationen sind nie schön. In dem Moment muss man aber einfach funktionieren. Wir hatten nicht viel Zeit mit den Temperaturen und dem Wind. Wir wussten auch, dass die nächste Front kommen wird. Da konzentriert man sich einfach auf die Arbeit.
Die Suche musste mehrmals abgebrochen werden – zum Schutz der Retter. Zehrt das an den Nerven?
Klar zehrt das an den Nerven. Aber es macht keinen Sinn, noch mehr Leute zu exponieren. Es ist immer ein Risiko für die Retter, und es ist ein Abwägen. Und da muss man einfach Geduld haben.
Man versucht, ans Limit zu gehen und vielleicht noch ein bisschen weiter.
Das ist unangenehm, aber es blieb keine andere Möglichkeit. Man versucht, ans Limit zu gehen und vielleicht noch ein bisschen weiter, aber wenn das Risiko für die Retter so gross und es so gefährlich ist, muss man einfach abbrechen.
Eine Person bleibt vermisst. Wie geht es da weiter?
Wir haben noch keine Spur. Wir diskutieren, welche Möglichkeiten noch bleiben, beraten mit den Angehörigen, und dann sehen wir weiter.
Wenn es so viele Opfer gibt und sie Einheimische sind, fast alle aus derselben Familie, beschäftigt Sie das? Oder muss man professionell einfach weitermachen?
Nach jedem Einsatz müssen wir immer weitermachen. Aber man denkt sicher darüber nach. Wieso ist das passiert? Warum gleich eine ganze Familie? Das ist sehr tragisch. Trotzdem geht es für uns weiter.
Das Gespräch führten Ruth Seeholzer und Roger Brunner.