Seit 2015 hat die Schweizerische Nationalbank SNB ihren Leitzins nicht mehr angefasst, seither lag er bei -0,75 Prozent. Nun hat die SNB aber die Zinswende eingeläutet und den Leitzins gleich um einen halben Prozentpunkt erhöht. Damit hat sie die meisten Beobachterinnen und Experten überrascht. Notenbank-Präsident Thomas Jordan erklärt, warum es jetzt Zeit für die Wende wurde.
SRF News: Warum heben Sie die Zinsen an, Herr Jordan?
Thomas Jordan: Zuletzt wurde der inflationäre Druck auch in der Schweiz deutlich grösser, als wir das noch im letzten Jahr erwartet haben. Wir haben unsere Inflationsprognosen nach oben korrigiert und sind zum Schluss gekommen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um die Geldpolitik zu straffen. Dies mit dem Ziel, dass wir die Inflation mittelfristig im Bereich der Preisstabilität halten können.
Diese Zinserhöhung ist ein Wendepunkt. Seit 2015 hat sich bei den Zinsen nichts mehr getan. Ist es Ihnen nun wegen der Inflation zu brenzlig geworden, obwohl diese in der Schweiz mit 3 Prozent deutlich tiefer liegt als in der Euro-Zone oder den USA mit 8 bis 9 Prozent?
Unser Ziel ist, dass die Inflation unter 2 Prozent liegt. Zudem ist das Risiko sogenannter Zweitrundeneffekte grösser geworden (unter Zweitrundeneffekten versteht man Preiserhöhungen als Reaktion auf vorangegangene Kostensteigerungen, Anm. d. Red.). Wir sind überzeugt, dass es Sinn macht, die Geldpolitik bereits jetzt etwas zu straffen. Damit soll die Inflation nicht zu hoch werden, damit wir diese wieder in den Bereich der Preisstabilität zurückführen können.
Eigentlich sind die Notenbanken schon vor Jahren dazu übergegangen, die Finanzmärkte nicht zu überraschen. Es wurde immer angedeutet, wohin die Reise geht. Sie haben die Finanzmärkte jetzt aber doch überrascht, mit einer früheren und stärkeren Zinserhöhung als man das gedacht hätte. Ist das ein Indiz dafür, dass der Entscheid erst in den letzten Stunden gereift ist?
Nein. Wir haben schon längere Zeit überlegt, was wir machen würden, wenn die Inflation etwas persistenter sein sollte als wir angenommen haben. Dazu gehörte, die Zinsen entsprechend anzupassen, wenn dies der Fall sein sollte. Die Vorbereitung der Märkte auf einen solchen Entscheid wird etwas überschätzt. Jedes Mal, wenn neue Informationen kommen, gibt es bestimmte Bewegungen an den Märkten. Wir haben uns nun entschieden, diesen Schritt zu machen. Und bis jetzt haben wir keine allzu grossen Bewegungen an den Märkten gesehen.
Selbstverständlich ist es etwas speziell, wenn man nach so langer Zeit wieder einen Zinsschritt macht. Unser letzter Zinsentscheid stammt aus dem Jahr 2015, unsere letzte Zinserhöhung ist sogar etwa 15 Jahre her.
Hat es geholfen, dass die amerikanische Notenbank FED am Mittwoch ebenfalls einen sehr grossen Zinsschritt gewagt hat?
Wir haben mit unserem Entscheid nicht den Entscheid des FED abgewartet. Wir haben ihn bereits etwas vorher getroffen. Natürlich spielt die internationale Entwicklung für uns eine bestimmte Rolle. Unser Ziel ist aber klar: Wir wollen die Preisstabilität in der Schweiz erhalten. Dafür treffen wir alle Massnahmen autonom.
Sie sagen ja meistens nicht, wie Sie zu einem Entscheid gekommen sind. Trotzdem die Frage: Haben Sie dieses Mal hitziger und länger diskutiert?
Wir diskutieren immer sehr intensiv. Wir überlegen, welche Optionen es gibt und wägen die Vor- und Nachteile ab. Dann treffen wir den besten Entscheid für die jeweilige Situation. Das hat in diesem Fall nicht länger als sonst gedauert. Selbstverständlich ist es etwas speziell, wenn man nach so langer Zeit wieder einen Zinsschritt macht. Unser letzter Zinsentscheid stammt aus dem Jahr 2015, unsere letzte Zinserhöhung ist sogar etwa 15 Jahre her.
Wir können uns nicht komplett von extremen Erdölpreisentwicklungen oder explodierenden Nahrungsmittelpreisen isolieren.
Mit Ihrem Entscheid sagen Sie auch: Die Inflation ist derzeit unsere grössere Sorge als das Wirtschaftswachstum.
Wir haben ein gutes Wirtschaftswachstum von etwa 2.5 Prozent. Es hängt nicht nur von unserem Zinsentscheid ab, ob das so bleibt oder nicht. Das hängt vor allem davon ab, wie die internationale Konjunktur verlaufen wird. Es wäre ein grösseres Risiko, wenn wir die Geldpolitik nicht anpassen würden und dann plötzlich eine Inflation hätten, die viel schwieriger zu bekämpfen ist – mit viel höheren Zinsen als wir sie jetzt ansetzen.
Wie gross ist die Chance, dass die Schweiz gut durch diese Inflation und auch die sonstige Krise kommt?
Das ist schwierig zu prognostizieren. Wir können uns auch nicht komplett von extremen Erdölpreisentwicklungen oder explodierenden Nahrungsmittelpreisen isolieren. Diese Effekte kann die SNB mit der Geldpolitik nicht einfach ausradieren. Auch wir sind diesen Schocks ausgesetzt. Wir können und müssen aber bewerkstelligen, dass wir für die mittlere Frist im Bereich der Preisstabilität sind.
Das Gespräch führte SRF-Wirtschaftsredaktorin Eveline Kobler.