Für Mischa aus Zürich sind die Tage auf der Alp eine willkommene Abwechslung. Als Lokführer bei der SBB ist körperliche Arbeit für ihn eher die Ausnahme.
Hier aber erlebt er hautnah, woher seine Lebensmittel kommen. Und das bedeutet nebst der Sicht auf ein einzigartiges Bergpanorama vor allem auch viel Bewegung: An den Muskelkater vom letzten Jahr kann er sich noch gut erinnern. Zusammen mit seiner Freundin Steffi hat er sich für einen Arbeitseinsatz als Ziegenhirte entschieden.
Mitarbeit ist für die Bergsolawi-Mitglieder Pflicht. Genauso wie der Erwerb eines Anteilscheins und die Bezahlung eines Jahresbeitrags in der Höhe von 1100 Franken. Für wen ein solch körperlich anstrengender Einsatz auf einem Betrieb aber nicht infrage kommt, der kann seinen Einsatz auch durch administrative Aufgaben erfüllen.
Im Gegenzug erhalten die Mitglieder mehrmals im Jahr Produkte, an denen sie mitgearbeitet haben: vor allem Gitzifleisch und Alpkäse. Die beteiligten Bauernbetriebe profitieren nebst einer Abnahmegarantie ihrer Produkte auch von einem geteilten Risiko, etwa bei Ertragsausfällen.
Ohne Solawis keine Ziegen
Der Betrieb von Bäuerin Nadia Deplazes ist einer von zwei Höfen, die aktuell bei der Bergsolawi mit dabei sind. Die Hilfe der Solawis ist ihr viel wert.
Ziegen sind wahre Kletterkünstler. Die schroffen Hänge auf der Alp sind darum der ideale Ort, um Ziegen zu halten. Weder Ackerbau noch Kuhhaltung sind auf diesem Gelände eine Option.
Auch ich wäre gerne mit ihnen unterwegs, aber zeitlich ist das unmöglich.
Ohne die Bergsolawi würden auf der Alp Glivers aller Wahrscheinlichkeit nach keine Ziegen weiden. Denn sie zu halten, ist aufwendig, teuer und wenig rentabel. «Gerade jetzt, mit dem Wolf, ist es gut, wenn immer jemand mit ihnen unterwegs ist», sagt Nadia Deplazes und fügt an: «Auch ich wäre gerne mit ihnen unterwegs, aber zeitlich ist das unmöglich.»
1000 Mitglieder bis in zehn Jahren
Gegründet wurde die Genossenschaft Bergsolawi Surselva bereits vor rund fünf Jahren. Die ersten Arbeitseinsätze starteten vor gut drei Jahren. Knapp 50 Mitglieder sind heute mit von der Partie. 1000 sollen es laut Mitgründerin Carmen Andereggen bis in zehn Jahren sein.
Doch der Mitgliederzuwachs geht nur schleppend voran. «Es ist halt ein Pionierprojekt und wir sehen immer wieder Dinge, die wir ändern müssen», sagt Andereggen.
Wir sind alle sehr motiviert und haben grosse Lust, mit den Ziegen zu sein – auch mal dreckig zu werden.
Doch trotz zahlreicher Herausforderungen ist die Freude ungebrochen: «Wir sind alle sehr motiviert und haben grosse Lust, mit den Ziegen zu sein – auch mal dreckig zu werden», so Andereggen weiter. Die Möglichkeit, einfach so eine ganze Woche als Hirte zu verbringen, sei einmalig. Und hinterlasse einen bleibenden Eindruck.
Wissen, was man isst
«Unsere Milch kommt nicht einfach aus dem Tetrapack», sagt Mischa, während er seinen Blick über die steilen Hänge der Alp gleiten lässt.
«Es macht schon Eindruck, wenn man auf diese Gitzi aufpasst, sie dann im Herbst geschlachtet werden und ich sie esse», führt Mischa weiter aus. Und erfüllt damit den Wunsch von Bäuerin Nadia Deplazes: Wertschätzung für das Essen, für die Tiere und für die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern.