Die Berner Homeschooling-Vorschriften sind im Vergleich zu anderen Kantonen liberal. In den vergangenen zehn Jahren ist die Anzahl Schüler und Schülerinnen, die zu Hause unterrichtet werden, deshalb von 166 auf 934 angestiegen – besonders hochgeschnellt sind die Homeschooling-Gesuche in den Jahren der Pandemie.
SRF-Recherchen zeigen jetzt: Der Kanton Bern reagiert auf die starke Zunahme. «In der Pandemie haben Eltern das Gefühl bekommen, Fernunterricht sei ganz einfach», sagt Erwin Sommer, Vorsteher des Amts für Kindergarten und Volksschule. Aber damals hätten eben die Schulen für sie den Unterricht geplant – im Gegensatz zum gängigen Homeschooling.
Strengere Anforderungen
Die Berner Bildungsdirektion will jetzt die Unterrichtsqualität von allen Kindern, die im Kanton zu Hause unterrichtet werden, sicherstellen – mit strengeren Anforderungen und Kontrollen. Neu müssen bei Gesuchen für Homeschooling detaillierte Jahres-, Semester- und Quartalspläne eingereicht werden. Die Schrauben werden auch bei den pädagogisch ausgebildeten Personen angezogen, die die Eltern beim Homeschooling bereits heute anleiten. Diese müssen neu zwingend mit dem Lehrplan 21 vertraut sein. «Das Ziel ist, dass die Kinder jederzeit wieder in die Volksschule integriert werden können», sagt der Amtsvorsteher Erwin Sommer.
Dazu müssen die Lernfortschritte in Berichten verbindlich dokumentiert werden. Und diese Berichte bleiben nicht einfach ein Papiertiger, sondern werden von der Bildungsverwaltung kontrolliert. Dafür hat die Berner Bildungsdirektion extra zwei zusätzlich Stellen geschaffen.
Dicke Luft bei der Bildungsdirektion
Durch die neuen, strengeren Anforderungen fühlen sich die Betroffenen jedoch kontrolliert und schikaniert. Auch dem Verein «Bildung zu Hause Bern» sind die Probleme bekannt. Öffentlich Stellung beziehen will jedoch weder der Verein, noch die kontaktierten Homeschooling-Familien. Denn am Donnerstagabend findet auf der Berner Bildungsdirektion eine Sitzung statt – und der Verein hofft, dass hinter den Kulissen und im Dialog eine Lösung zur Zufriedenheit aller beteiligten Parteien gefunden werden könne.
Der Kanton könnte schon länger handeln
Schul- und Unterrichtsforscherin Tina Hascher von der Universität Bern wundert sich, dass der Kanton beim Homeschooling nicht längst die Schrauben angezogen hat: «Der Kanton Bern macht das, was er darf und auch muss. Nämlich die Qualität zu sichern.» Die Instrumente dafür stünden schon längst bereit. Für die Bildungsforscherin ist klar: Wenn Eltern die Bildungsqualität im Heimunterricht nicht sicherstellen können, dann müssen ihre Kinder wieder zurück in die Schule.
Es braucht ein Qualitätsmonitoring.
Die Bildungsdirektion verweist darauf, dass in gewissen Fällen bereits in der Vergangenheit Bewilligungen fürs Homeschooling entzogen worden seien. Mit den zwei zusätzlichen Stellen in der Kantonsverwaltung ist die Bildungsdirektion zuversichtlich, die Bildungsqualität im Homeschooling künftig noch besser überprüfen und gewährleisten zu können.