Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sucht eine neue Leitung für die digitale Transformation: Sie soll unter anderem die digitale Strategie entwickeln, neue Technologien und Geschäftsmodelle einbinden, für das elektronische Patientendossier mitveranwortlich sein – kurz die Digitalisierung im Gesundheitswesen fördern.
Das verlangt auch das Parlament. Denn die Pandemie hat den Nachholbedarf in der Digitalisierung schonungslos aufgedeckt – aber auch gezeigt, dass Grossprojekte wie die Covid-App durchaus möglich wären. Deshalb wollen die Nationalrätinnen und Ständeräte nun Taten sehen.
Politik fordert nationale Strategie
Für Gesundheitspolitikerin Flavia Wasserfallen (SP/BE) ist «ganz klar, dass wir bei der Digitalisierung des Gesundheitswesen nicht in Kantonsgrenzen denken können. Wir müssen dem Bund eine gewisse Führung zugestehen und so gemeinsam Lösungen erarbeiten. »
Das BAG muss sich nun komplett neu aufstellen und die Lücke, die die Covid-Krise aufgezeigt hat, schliessen.
Für Ratskollege Marcel Dobler (FDP/SG) hat die Digitalisierung beim BAG noch nicht den Stellenwert, den es braucht. Ferner fehlt ihm eine Strategie für die Zukunft: «Das BAG muss sich komplett neu aufstellen und die Lücke, die die Covid-Krise aufgezeigt hat, schliessen.»
Es brauche eine Roadmap zur Digitalisierung, eine Auslegeordnung, was getan werden müsse, fordert Dobler. «Auch die Finanzierungsfrage muss geklärt werden. Das kann sicher nicht intern kompensiert werden.»
Auch SVP-Nationalrat Franz Grüter wünscht sich mehr Dynamik: «Man hat gespürt, dass Föderalismus zwar weiterhin möglich ist. Es macht aber Sinn, dass solche komplexen, aufwändigen Projekte zentral entwickelt und dann föderalistisch bei den Kantonen eingeführt werden.» Grüter nennt das elektronische Patientendossier, bei dem der Bundesrat derzeit prüft, ob es eine zentrale Lösung braucht.
Derweil hat sich das BAG neu aufgestellt: Es will der Digitalisierung mehr Gewicht geben und hat einen neuen Direktionsbereich geschaffen, wie es SRF News bestätigt. Weiter möchte das BAG künftig mehr finanzielle und personelle Mittel für die Digitalisierung einsetzen.
Die Pandemie als Weckruf
Mehr Tempo, Mut und Mittel wünschen sich auch verschiedene Fachleute: Da ist zum Beispiel Alfred Angerer, der für die Zürcher Fachhochschule ZHAW regelmässig analysiert, wie es um die Digitalisierung des Gesundheitswesens steht.
Für Angerer war die Pandemie wie ein Weckruf für alle Beteiligten im Gesundheitswesen: «Wir als Bürgerinnen und Bürger wissen noch viel zu wenig, warum wir es mit einem digitalen Gesundheitswesen viel besser hätten.» Es brauche mehr Information und Marketing. «Keiner von uns kennt die Lösung. Wir müssen schauen, was sich in der Praxis bewährt. Ausprobieren, messen und das, was sich bewährt, behalten.»
Die Welt dreht sich im digitalen Bereich sehr schnell weiter. Wenn wir uns nicht vorwärts bewegen, verlieren wir irgendwann den Anschluss.
Marcel Salathé ist Epidemiologe von der ETH Lausanne und hat die Covid-App mitentwickelt. Er warnt: «Die Welt dreht sich im digitalen Bereich sehr schnell weiter. Wenn wir uns nicht vorwärts bewegen, verlieren wir irgendwann den Anschluss. Und das macht mir grosse Sorgen – gerade im Gesundheitssystem.» Die digitale Transformation habe bisher nicht den Stellenwert erhalten, den sie eigentlich verdiene.
Zusammengefasst: Eine Strategie, mehr Führung, mehr Fachwissen, Geld und Personal – hier besteht Einigkeit. Bundesrat und Parlament sollen die Anträge des BAG für mehr Geld und Fachleute für den neu geschaffenen Direktionsbereich in den nächsten Wochen erhalten. Dann wird sich zeigen, was den politisch Verantwortlichen die Wünsche nach mehr Digitalisierung wirklich wert sind.