Das Wichtigste in Kürze
- Sozialdetektive sollen die Betrüger stoppen. Doch weil ihnen für die Überwachung die gesetzliche Grundlage fehlt, will die Politik das Gesetz nachliefern.
- Umstritten ist, wie weit Sozialdetektive gehen dürfen. Der Ständerat findet, sie sollen möglichst viele Instrumente zur Verfügung haben.
Die IV-Bezügerin, die schwere Gartenarbeit verrichtet, das angeblich schwerstbehinderte Unfallopfer, das Auto fährt: Solche Fälle geben immer wieder zu reden. In knapp 2000 Fällen wurde letztes Jahr wegen Verdacht auf Versicherungsbetrug bei der IV ermittelt – in 270 der Fälle waren Sozialdetektive tätig. Die Überwachung trug der Schweiz vor einem Jahr eine Rüge aus Strassburg ein: In der Schweiz fehle eine präzise gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten, befand der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
Es brauche also eine Regelung, fanden praktisch alle in der kleinen Kammer. So hielt der Schwyzer SVP-Ständerat Alex Kuprecht fest: «Betrüger oder solche, die einen einen Betrug ins Auge fassen, sollen wissen, dass sie beobachtet und mit möglichen Beweismitteln zur Verantwortung gezogen werden können.»
Umstrittene Instrumente
Nur: Wie weit sollen Sozialdetektive bei der Überwachung gehen dürfen? Welche Instrumente sollen ihnen bei verdeckten Observationen zur Verfügung stehen? Nur Bildaufzeichnungen? Oder auch Tonaufzeichnungen? Oder sollen sie zusätzlich auch noch Geräte einsetzen dürfen, die registrieren, wo sich eine Person aufhält oder wo sie herumfährt – zum Beispiel GPS-Tracker? So wollte es die Mehrheit der zuständigen Sozialkommission.
Der Solothurner CVP-Ständerat Pirmin Bischof erklärte: Gerade GPS-Tracker brauche es, damit man Betrüger findet – und zwar «im wahrsten Sinne des Wortes: Man kann erst eine Bild- und Tonaufzeichnung über körperliche Aktivitäten oder ähnliches machen, wenn man weiss, wo die Person ist.»
Berset warnt vor Exzessen
Überwachen mit Bild und Ton ja – aber nicht auch noch mit Geräten, die zeigen, wo ein Verdächtiger gerade ist, sagte Bundespräsident Berset. Er hatte für die Debatte eigens einen GPS-Tracker in den Ratsaal mitgebracht.
Der Bundesrat streckte das Gerät in die Luft und sagte: «Jeder Versicherer kann das Gerät in Zukunft bei verdächtigen Betrügern am Auto montieren – bei Unfallopfern, Arbeitslosen, IV-Bezügerinnen oder Personen, die Ergänzungsleistungen beziehen.» Bei sehr vielen also.
Rechtsstaatliche Bedenken
Genehmige kein Richter diese Überwachungsart, würden verdächtige Versicherungsbetrüger schärfer überwacht als potenzielle Terroristen, sagte der Berner SP-Ständerat Hans Stöckli: «Dieser Vorschlag geht wesentlich weiter als die Staatsschutzmassnahmen. Sie möchten Massnahmen ergreifen, die weiter gehen als die Bekämpfung des Terrorismus.»
Die Waadtländer SP-Ständerätin Géraldine Savary fand, dass mit Kanonen auf Spatzen geschossen werde. Das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismässigkeit werde geritzt.
Richterliche Genehmigung für GPS-Tracker
Doch der Ständerat entschied sich für das volle Programm: Er will Sozialdetektiven das ganze Instrumentarium zur Verfügung stellen – von der Bildaufnahme bis zum GPS-Tracker.
In einem Punkt aber baute er eine Hürde ein: Werden Mittel zur Standortbestimmung wie GPS-Tracker eingesetzt, muss dies eine Richterin oder ein Richter genehmigen, so wie beim Nachrichtendienst auch.
Die Vorlage geht nun in den Nationalrat.