Von seiner Idee einer zweiten Kohäsionsmilliarde an ärmere EU-Länder wollte das Parlament am Mittwoch nichts wissen. Der Europapolitiker Eric Nussbaumer wollte damit die Blockade nach dem gescheiterten Rahmenabkommen lösen. Der Baselbieter ist weiterhin überzeugt, dass es kein unwürdiger Kuhhandel gewesen wäre, wie er im Interview erklärt.
SRF News: Ihr Vorschlag wurde mit 93 Nein zu 84 Ja abgelehnt. Ist das ein Achtungserfolg oder ein Ärgernis für Sie?
Eric Nussbaumer: Für mich persönlich ist es ein Ärgernis. Ich hätte den Wunsch gehabt, dass wir eine Brücke in einer blockierten Situation schlagen können, was nicht gelungen ist.
Ist es nicht etwas naiv zu denken, die EU lasse sich auf diese Art und Weise beim Forschungsprogramm Horizon oder beim Studierendenaustausch Erasmus erweichen?
Wir sind seit sechs Monaten in einer blockierten Situation. Da muss man politische Ideen entwickeln, wie man deblockieren kann. Die EU sagt bereits seit mehreren Jahren, dass die Kohäsionsleistung der Schweiz zu bescheiden sei. Deshalb ist das ein Versuch, in der Kohäsionsleistung voranzugehen und gleichzeitig die Blockade aufzubrechen. Wir sind nun in einer totalen Blockade, wir verlieren alle Elemente eines Marktzugangs.
Das ist Ihre Meinung!
Nein, das ist ganz klar, und seit dem 26. Mai ist es noch deutlicher geworden. Die Schweiz kann keine neuen Marktzugangs-Abkommen mehr abschliessen, die Schweiz kann keine Aufdatierungen des Marktzugangs mehr machen, weil die institutionellen Fragen nicht gelöst sind. Und auf der anderen Seite haben wir die Forschungskooperation und die Bildungskooperation. Der Versuch der aussenpolitischen Kommission war es, diese Blockaden zu durchbrechen und uns auf die Kooperation zu konzentrieren.
Bundesrat Maurer hat gesagt, wir hätten uns mit diesem Vorschlag vor der EU blamiert.
Ich teile diese Einschätzung überhaupt nicht. Wenn Sie in einer politischen Debatte blockiert sind, müssen Sie eine Idee haben. Der Bundesrat hat bis heute keine Idee. Er sonnt sich seit sechs Monaten in der Blockade und weiss nicht, wie er die Situation mit der EU wieder in eine positive Dynamik führen kann.
Offenbar ist die Mehrheit im Nationalrat der Meinung: Das war keine gute Idee, Herr Nussbaumer.
Sie können auch zugespitzt sagen, die Mehrheit des Nationalrats will die Blockade leben. Wir wollten dem Bundesrat eine Brücke bauen, damit man in einem Bereich mit der Europäischen Union das Gespräch aufnehmen könnte, der auch für die EU vorteilhaft ist; nämlich gute Forschungskooperation, gute Bildungskooperation, Kooperation in der Digitalisierung. Alle diese Elemente sind blockiert!
Sie sind ein bekennender Euro-Turbo. Muss man nicht auch akzeptieren, dass wir in der Schweiz zurzeit weder im Bundesrat, Parlament und Volk eine Mehrheit haben für eine weitere Annäherung an die EU?
Das mit dem Euroturbo ist ein veraltetes Bild, weil es nicht stimmt.
Aber Sie wollen in die EU.
Ja. Aber der Bundesrat selber hat der Bundesversammlung beantragt, das Verhältnis mit der EU zu regeln. Das ist ein Legislaturziel für diese vier Jahre. Nur hat der Bundesrat dann die Verhandlungen nach einem achtjährigen Prozess abgebrochen und hat nun keine Strategie mehr. Aber eben: es gibt ein bundesrätliches Legislaturziel, das heisst: geregeltes, stabiles Verhältnis mit der Europäischen Union. Das hat nichts mit Euro-Turbo zu tun. Das hat damit zu tun, dass dieses Land blockiert ist, weil man nicht mehr weiss, wie man ein stabiles Verhältnis hinkriegt.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.