Bundespräsidentin Doris Leuthard hat bekanntgegeben, dass sie 2019 nicht mehr zur Bundesratswahl antreten wird. Was ist Ihre Reaktion darauf?
Adrian Vatter: Es ist aussergewöhnlich, dass man zwei Jahre vor Ablauf der Legislatur sagt, dass man nicht mehr antritt. Normalerweise macht man das wenige Monate vorher.
Was will Frau Leuthard damit bezwecken?
Einerseits will sie nach aussen signalisieren, dass sie für neue Mandate bereit ist. Andererseits will sie ihre Partei vorwarnen und ihr die Chance geben, neue Köpfe aufzubauen.
Was hat diese Ankündigung für Auswirkungen auf ihre Wirkung als Bundesrätin?
Wenn sie noch zwei Jahre im Amt bleibt und erst dann zurücktritt, dann hat das einen «Lame-Duck»-Effekt. Das heisst, dass man sie gerade bei wichtigen Diskussionen nicht mehr so ernst nehmen wird. In ihrem Fall kann man aber sagen, dass sie die wichtigen Geschäfte abgeschlossen hat. Der Zeitpunkt für den Rücktritt ist gar nicht so schlecht.
Glauben Sie, dass Frau Leuthard schon vor Ablauf der Legislatur zurücktritt?
Ich halte es für möglich, dass sie vielleicht Anfang 2018 zurücktreten wird. Ende Jahr wäre zu knapp. Im Herbst finden ja bereits Bundesratswahlen statt. Normalerweise ist etwa ein Jahr zwischen zwei Wahlen.
Im Herbst wird der Nachfolger von Didier Burkhalter gewählt. Was hat die Ankündigung von Frau Leuthard für Folgen darauf?
Es kommt darauf an, wer auf Burkhalter folgt. Falls es kein Tessiner wird, steht die CVP enorm unter Druck. Mit Filippo Lombardi hätten sie allerdings einen geeigneten Kandidaten. Falls der neue FDP-Bundesrat ein Mann sein sollte, wird die Frage des Geschlechts im Zentrum stehen.
Was für Taktiken verfolgen die Parteien nun?
Die zwei Wahlen bieten nicht viele Möglichkeiten, weil es jedes Mal Einzelwahlen sind. Es sind nicht zwei Kandidaturen, die man in Bezug auf das Geschlecht oder die Regionen kombinieren kann.
Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.