Das Parlament ringt um das Budget für das kommende Jahr. Dabei steht das Sparpaket für die Folgejahre schon am Horizont. Davon dürften die Menschen aber nicht viel spüren, sagt der Kopf dahinter.
SRF News: Wird in der Schweiz aktuell so hart um Geld gestritten wie schon lange nicht mehr?
Serge Gaillard: Ja, ich glaube, die Wünsche sind so stark in alle Richtungen gewachsen, dass nicht mehr alles finanziert werden kann, was man gerne hätte. Das führt zu etwas mehr Streit und die Differenzen zwischen den Vorschlägen der Finanzkommissionen und jenen des Bundesrates sind effektiv grösser als sonst. Das hat aber vor allem damit zu tun, dass das Parlament die Verteidigungsausgaben viel schneller erhöhen will, als dies der Bundesrat geplant hat.
Sie haben mit einer Expertengruppen 60 Massnahmen definiert, mit denen der Bund rund fünf Milliarden Franken pro Jahr sparen würde. Wie würden das die Menschen im Alltag spüren, wenn dieses Paket umgesetzt wird?
Interessant ist, dass die Bürger nicht viel spüren würden. Zwei Antworten, warum. Die erste ist abstrakt: Die Ausgaben des Bundes werden auch nach Umsetzung der Massnahmen bis 2032 von 85 auf 96 Milliarden Franken stark ansteigen. Ohne diese Sparmassnahmen wären sie noch stärker gestiegen. So ist es möglich einzusparen, ohne dass die Leute viel spüren. Das Zweite, was wichtig ist: Bei der Sozialversicherungen und den Sozialleistungen wird nichts gekürzt. Darum werden viele Bürger gar nichts spüren.
Wieso muss man jetzt noch mit Subventionen Werbung der Fleischwirtschaft unterstützen?
Es gibt ein, zwei Punkte, wo das direkt spürbar ist: Das sind die Studiengebühren. Bei der ETH wird man für eine exzellente Ausbildung statt 730 neu 1400 Franken im Semester bezahlen. Beim öffentlichen Verkehr wird der Kostendeckungsgrad um 2.5 Prozent erhöht. In den Städten und Agglomerationen wird man davon nicht viel spüren. In gewissen ländlichen Gebieten ist es möglich, dass eine Buslinie weniger oft fährt.
Sie sind in Ihrem Bericht auf fünf Milliarden Franken gekommen, die eingespart werden könnten. Das heisst, wenn die Leute die Einsparungen gar nicht bemerken, wäre dieses Geld für nichts ausgegeben worden?
Ich gebe Ihnen zwei Beispiele: Wenn Sie Werbung für Fleischkonsum machen, bezahlt mit Bundesgeldern, macht das Sinn? Das Fleisch der Bauern ist an der Grenze sowieso geschützt. Importe werden verzollt. Wieso muss man jetzt noch mit Subventionen Werbung der Fleischwirtschaft unterstützen, damit man mehr Fleisch konsumiert?
Die Bauern würden sagen, dass es ihnen etwas bringe…
Das vielleicht schon, aber ich glaube nicht, dass es der gewöhnliche Stimmbürger so sehen würde. Ein weiteres Beispiel: Ein Doppelverdiener-Ehepaar baut für ihr Haus eine Erdsonde ein. Ich kenne viele, die das machen, aber niemand, der es wegen der Subventionen macht. Diese Subvention ist also verlorenes Geld. So gibt es viele Dinge, die man in guten Zeiten beschlossen hat und die man hin und wieder hinterfragen muss.
Viele Alternativen gibt es nicht.
Von links kommt vehemente Kritik an den Sparvorschlägen. Sie seien ein Angriff auf die soziale Schweiz, hiess es. Wird das Sparpaket tatsächlich dereinst umgesetzt.
Die Chancen sind nicht schlecht. Der Bundesrat hat viele davon übernommen. Er wird im Januar einen Vorschlag machen. Viele Alternativen gibt es nicht. Der Bundesrat hat bereits einen pragmatischen Umgang mit der Schuldenbremse. Für eine richtige Lockerung bräuchte es eine Volksabstimmung. Es braucht auch mehr Geld für die AHV. Daher gibt es fast keine Alternativen, vielleicht gibt es die eine oder andere bessere Idee, aber ein Paket wird es brauchen.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.