Für Liridon Atashi war es ein gewöhnlicher Arbeitstag. Der Polier war mit Arbeiten an der Strasse zwischen Langenbruck und Eptingen BL beschäftigt, als seinem Kollegen und ihm plötzlich eine unscheinbare braune Flasche in der Erde auffiel.
Dass er und sein Arbeitskollege auf ein Stück Geschichte gestossen sind, war ihnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst: «Man stösst bei Bauarbeiten immer wieder mal auf Abfall.»
Doch als die Beiden die Weinflasche genauer betrachteten, fiel ihnen auf, dass darin ein Stück Papier verstaut war. Ein Brief aus dem Jahr 1916, eingewickelt in einem Zeitungsartikel – eine sogenannte Zeitkapsel. 100 Jahre lang war sie in der Erde vergraben, mehrere Meter tief im Boden, bis sie die Bauarbeiter mit ihrem Bagger ans Tageslicht holten.
Nach dem Öffnen der Flasche wurde klar: Die Zeitkapsel stammt von einem Unteroffizier. Im Brief erzählt dieser über den Alltag der Armeeangehörigen, welche in der Zeit des 1. Weltkriegs in der Fortifikation Hauenstein ihren Dienst verrichteten und Schützengräben und Bunker aushoben.
Ein gewisser Wachtmeister Herrmann schrieb: «In diesen Augusttagen müssen alle Mannen schwitzen. Keiner darf sich drücken und am Schatten sitzen. Aller Alkoholverbrauch ist streng untersagt. Und dies zu übertreten, hat keiner je gewagt. Der Bauaufseher Wachtmeister Herrmann.»
«Ein Lottogewinn und ein Glücksmoment»
«Dieser Fund ist ein riesiger Lottogewinn und ein Glücksmoment für einen Historiker», freut sich Christoph Rast. Rast ist wissenschaftlicher Leiter im Verein Fortifikation Hauenstein. Dieser Verein setzt sich für den Erhalt der Verteidigungsanlagen im Gebiet Hauenstein ein und will der Bevölkerung die Geschichte der Anlagen näher bringen. Vor kurzem hat der Verein einen Erinnerungspfad im Gebiet eröffnet.
Die Fortifikation Hauenstein wurden im 1. Weltkrieg errichtet, um den Eisenbahnknoten Olten zu schützen. Sie ist 42 Kilometer lang und besteht aus Schützengräben, Panzersperren, Unterständen, Bunkern und weiteren militärischen Anlagen. Gebaut wurden sie von Soldaten der Schweizer Armee.
Der Brief aus dieser Zeit zeigt: Die Arbeit war schweisstreibend und hart. Und viele Soldaten hatten offenbar ein Alkoholproblem. «Neben der Angst vor einem Angriff war Alkohol das grösste interne Problem. Plus die Langeweile. Und: Langweile und Alkohol sind zwei sehr gute Freunde», erzählt Historiker Rast.
Der damalige General Ulrich Wille griff mit einem strengen Alkoholverbot durch und dies wurde gemäss den Worten von Wachtmeister Herrmann beim Bau der Fortifikation Hauenstein offenbar auch befolgt. Dass der Unteroffizier seine Schilderungen der Nachwelt weitergeben wollte und sie mit der Zeitkapsel vergrub, zeigt, wie prägend die Erlebnisse waren.
Rast: «Damals wusste man als Soldat, es ist so, was gesagt wird. Etwas anderes geht nicht. Diese führte relativ früh zu einem gewissen Verdruss, weil die eigene Persönlichkeit ausgelöscht wurde.»
Die Zeitkapsel mit dem Brief und der Zeitung wird nun genauer untersucht. Die Hoffnung ist, dass noch mehr über die Geschichte und das Leben von Wachtmeister Herrmann und seinen Soldaten herausgefunden werden kann. Allenfalls gelingt es sogar, Nachkommen von Wachtmeister Herrmann zu finden.