Hätte das Waadtländer Parlament heute Nein gesagt zu den zusätzlichen Garantien, dann hätten schon im Juni die Löhne der Ärzte, des Pflegepersonals und der anderen Angestellten nicht mehr bezahlt werden können. Angefangen hatten die Probleme beim Bau: Die budgetierten Kosten von 350 Millionen Franken wurden um fast 90 Millionen Franken übertroffen.
Schwerwiegender war aber eine Verspätung. Zwar wurde das Spital im vergangenen August feierlich eröffnet. Erst Anfang November konnten aber die ersten Patientinnen und Patienten empfangen werden. Damit fehlten wichtige Einnahmen aus Operationen, und Ende Jahr gab es einen Verlust von knapp 18 Millionen Franken.
Die Trägerkantone Waadt und Wallis hatten zwar mit einem Verlust gerechnet, aber nicht in dieser Höhe. Als auch für das neue Jahr ein massiver Verlust budgetiert wurde, stellten die Kantone Nachfragen und entdeckten die dramatische Finanzlage.
Darlehen aus Graubünden
Und nicht nur das: Es kam auch ans Licht, dass das Spital im Januar ein Darlehen von 20 Millionen Franken aufgenommen hatte, im Kanton Graubünden – ohne die Kantone Waadt und Wallis zu informieren. Die Waadtländer Gesundheitsdirektorin Rebecca Ruiz: «Wir haben im März erfahren, dass das Spital ein Darlehen hat, ohne die Kantone zu fragen. Das ist für uns ein schwerer Fehler.»
Die Kantone Waadt und Wallis gaben zwei Prüfberichte in Auftrag. Sie sollen zeigen, warum es zu dieser finanziellen Schieflage gekommen ist. Diese Schieflage wurde zwar vom Coronavirus noch verschärft, da erneut wichtige Eingriffe nicht durchgeführt werden konnten. Weil die Probleme aber schon lange vor Covid-19 begannen, sorgt die Führung des Spitals für Kopfschütteln.
Hier mangelte es an Transparenz und auch an Ehrlichkeit.
Philippe Jobin, Fraktionschef der Waadtländer SVP im Grossen Rat, sagt: «Das ist unglaublich: 20 Millionen auszugeben, ohne jemanden zu informieren, auch nicht die Aufsichtskommission der Kantone. Hier mangelte es an Transparenz und auch an Ehrlichkeit.»
In der heutigen Grossratsdebatte kündigte die SVP deshalb an, dass sie eine parlamentarische Untersuchungskommission beantragen wird. Das überlegt sich auch die FDP. Deren Fraktionschef Marc-Olivier machte klar: Das Vertrauen in die Spitalführung sei zerbrochen. Darin war sich das Parlament von rechts bis links einig.
Für den Gesundheitsökonomen Willy Oggier ist diese Rettungsaktion aussergewöhnlich in der Schweizer Spital-Landschaft: «In dieser Art und Weise, insbesondere kurz nach der Eröffnung eines Neubaus, ist diese Rettungsaktion meines Wissens einzigartig.»
Auffallend ist, dass viele Leute im Verwaltungsrat aus der Verwaltung kommen oder sehr politiknah sind.
Aber wo blieb die Aufsicht über das Spital? Das ist einer der Punkte, der Fragen aufwirft. Für Experte Oggier stellt das auch den Verwaltungsrat in Frage – ein Verwaltungsrat, der aus zahlreichen ehemaligen Kadern der Gesundheitsdepartemente in der Waadt und im Wallis zusammengesetzt ist.«Auffallend ist, dass viele Leute im Verwaltungsrat aus der Verwaltung kommen oder sehr politiknah sind.»
Auch die Kantone wollen die Zusammensetzung des Verwaltungsrates überprüfen. Das ging aus der heutigen Grossrats-Debatte hervor. Mit der am Dienstag beschlossenen Garantie über 80 Millionen Franken wird das Spital Riviera-Chablais am Leben gehalten. Die Aufarbeitung dieses Finanzdebakels dürfte aber noch zu reden geben. Nächster Termin ist im Sommer: Dann soll das Resultat der Prüfberichte bekannt gegeben werden.