Künstliche Intelligenz (KI), lernende Maschinen, Algorithmen – mit diesen Stichwörtern künden sich radikale Umwälzungen an und damit auch absehbar ein Milliardengeschäft. Was in der Debatte rund um diese Technologien aber zu kurz komme, sei die Rolle des Menschen, sagen viele Experten.
In der öffentlichen Diskussion wird erst langsam aufgenommen, dass es vor allem Menschen sind, die diesen Computer-Systemen «beibringen», was sie wie interpretieren müssen.
Wie sonst soll eine medizinische Software automatisch und zweifelsfrei einen Tumor erkennen können, ohne dass ihr dies vorher jemand in allen möglichen Ausprägungen beigebracht hat?
Prekäre Bedingungen für «Clickworker»
Diese Datenfütterung übernehmen Menschen und dies oft unter prekären Arbeitsbedingungen. Sie werden als «Clickworker» bezeichnet. Sie kreisen etwa auf digitalen Röntgenbildern kritische Befunde ein oder lehren Algorithmen, alle möglichen Formen von Verkehrsmitteln zu erfassen.
Die Arbeit dieser «Clickworker» ist höchst anspruchsvoll und muss zuverlässig ausgeführt werden muss, weil sonst Fehler in die Software einprogrammiert werden. Und das kann fatal enden.
Trotz hoher Ansprüche ist diese Arbeit eintönig und repetitiv. Zudem wird sie oft unter prekären Arbeitsbedingungen mit schlechter Bezahlung geleistet.
Politik hinkt hinten nach
Hier stosse das politische System an seine Grenzen, sagt der Historiker und Bestseller-Autor Yuval Harari an der Debatte «Humans behind Machines» am WEF in Davos und betont: «In der Arbeitswelt und auf dem Arbeitsmarkt passiert gerade eine radikale Beschleunigung. Bis die Probleme erkannt sind und auf politischem Weg eine Regulierung erreicht ist, hat sich alles schon wieder verändert.»
Alt Bundesrätin Doris Leuthard wies in der Diskussion darauf hin, dass die Arbeitswelt immer mehr von KI geprägt sein werde und sich deshalb ethische Fragen stellen. Die «Swiss Digital Initiative», deren Präsidentin Leuthard ist, beschäftige sich mit dieser Frage und auch damit, was man von der analogen Arbeitswelt lernen kann. Dennoch fehlten nationale, aber auch internationale Gremien, die sich diesen Fragestellungen annähmen, konstatiert Leuthard.
Digital – weltweit
Dies hat wohl auch damit zu tun, dass die Technologie-Industrie diese Aufgaben oft an Drittfirmen auslagert. Damit wird das Abarbeiten solcher Aufgaben über die ganze Welt verteilt. Auch in der Schweiz wird solche Arbeit geleistet.
Wie kann also verhindert werden, dass der Faktor Mensch bei all diesen digitalen Fortschritten nicht völlig an den Rand gedrängt wird? Eric Glen Weyl von der RadicalXChange Foundation fordert ein neues, internationales Arbeitsrecht, das garantiert, dass die «Rechenleistung der Gehirne» der Menschen gerecht entlohnt wird.
Digitale Arbeiterklasse
Die Technologie-Unternehmen, die von den Heerscharen von «Clickworkern» und ihrer Arbeit profitieren, stehen im Verdacht, zu verschleiern, wie sehr sie von der digitalen Arbeiterklasse abhängig sind. Yuval Harari erklärt dies mit deren Gewinnstreben: «Diese unsichtbare Armee, die die ganze Arbeit erledigt, müsste eigentlich auch ihren Anteil erhalten.»
Die SRF-Diskussionsrunde am WEF in Davos macht zwar deutlich, dass die Debatte rund um die neue digitale Arbeiterklasse noch am Anfang steht. Gleichzeitig aber auch, dass mögliche Lösungen dieser Herausforderung höchstens angedacht sind.