Rund 35 Mal pro Tag verlangt ein Staatsanwalt oder eine Polizeibehörde eine Auskunft vom Dienst ÜPF. Der Dienst ist zuständig für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehr. Jedes Jahr veröffentlicht er eine Statistik , wie viele Überwachungen er im Dienste seiner Auftraggeber – der Kantone und dem Bund – durchgeführt hat. Letztes Jahr waren es 12'987 an der Zahl.
Mobiltelefone sind häufigstes Ziel
In über 95 Prozent der Fälle wird ein Handy überwacht. Festnetz, Post und Internet spielen laut Statistik eine Nebenrolle.
Der Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs ist das Bindeglied zwischen Strafverfolger und Telekom-Anbieter.
- Möchte zum Beispiel ein Staatswanwalt wissen, wo sich ein Handy zu einem gewissen Zeitpunkt befunden hat, stellt er eine Anfrage an den Dienst ÜPF in Bern.
- Der Dienst ÜPF prüft, ob eine Rechtsgrundlage für die Überwachung besteht. Wenn ja, geht er zu dem Provider, von dem der Handy-Nutzer seine SIM-Karte hat und verlangt die Herausgabe der entsprechenden Daten.
- Der Provider, der seine sämtlichen Daten sechs Monate lang speichern muss (Vorratsdatenspeicherung), händigt die verlangten Dateneinträge aus.
- Der Dienst ÜPF wiederum leitet die ausgehändigten Daten an die Staatsanwaltschaft weiter und erhält dafür eine Gebühr. Einen Teil dieses Geldes gibt er an die Provider weiter.
Besonders schwerwiegende Delikte in der Minderzahl
Organisierte Kriminalität, Terrorismus, Geldwäscherei, Pädokriminalität und Menschenhandel werden oft als Argumente ins Feld geführt, weshalb Überwachung nötig ist. Ein heute veröffentlichter Bericht der Digitalen Gesellschaft, einer überwachungskritischen Organisation, zeigt nun auf: Letztes Jahr wurden nur 953 Untersuchungen im Zusammenhang mit diesen Delikten gezählt. Das entspricht 7,3 Prozent aller Überwachungen und Auskünfte.
Deutlich öfter untersucht wurde aufgrund von Delikten wie Drogenhandel, Vermögensdelikten (zum Beispiel Diebstahl) oder Gewaltdelikten. Zu diesen Überwachungsmassnahmen kommen noch weitere «einfache Auskünfte» hinzu. Wenn eine Behörde beispielsweise wissen möchte, wem eine Telefonnummer gehört oder ob diese Person noch weitere Nummern besitzt, kann sie diese Information ebenfalls beim Dienst ÜPF beziehen. Dies auch ohne konkreten Verdacht auf eine Straftat. 553 Mal am Tag wurde dieser Service letztes Jahr genutzt – insgesamt über 200'000 Mal.
Eine Recherche von SRF Data hat nun gezeigt, dass auch Fundbüros diesen Service für verloren gegangene Handys benutzen. Martin Steiger, Jurist und Sprecher der Digitalen Gesellschaft, sieht im Überwachungsgesetz keine Grundlage für eine solche Verwendung. Für Thomas Hansjakob, Staatsanwalt des Kantons St.Gallen, hingegen, sei dies normale Polizeiarbeit und somit unproblematisch.
Grosse Unterschiede in den Kantonen
Auffällig ist in dieser Hinsicht Genf. Dass Genf einen solch hohen Wert aufweist, überrascht SRF Westschweiz-Korrespondent Sascha Buchbinder nicht. Er weist darauf hin, dass der Kanton Genf in punkto Repression und Strafverfolgung seit Jahren klar überproportionale Werte ausweise. Besonders bei den Freiheitsstrafen belegt der Kanton einen einsamen Spitzenplatz . «Diese ‹Politik der harten Hand› ist in Genf seit längerem zu beobachten.» sagt Buchbinder gegenüber SRF Data.
Die Regierung argumentiere, Genf sei als Stadtkanton, in dem viele Grenzgänger unterwegs seien, besonders exponiert. Andere Grenzkantone wie Basel-Stadt kommen aber offenbar mit weniger aktiven und rückwirkenden Überwachungen pro Einwohner aus.