Wer die Debatten des Luzerner Kantons- und des Stadtparlaments verfolgt, könnte zuweilen meinen, die beiden Räte tagten auf verschiedenen Planeten – auch wenn zwischen den beiden Sälen bloss die Reuss liegt.
Hier der Kantonsrat, in dem Mitte-Rechts den Ton angibt und SP und Grüne zusammen nicht einmal auf einen Drittel der Sitze kommen. Dort der Grosse Stadtrat, das mitte-links-dominierte Parlament der Kantonshauptstadt, wo es die SVP ist, die regelmässig Schiffbruch erleidet.
Linke Stadt bodigte Autobahnzubringer
In Luzern ticken und wählen Stadt und Land unterschiedlich. So unterschiedlich, dass SP-Stadtparlamentarier Mario Stübi sich hin und wieder fragt: «Gopfertori, sieht man auf dem Land die Bedürfnisse von uns Städtern eigentlich nicht?» Worauf SVP-Kantonsrätin Vroni Thalmann aus dem Entlebuch kontert: «Manchmal gehen die Städter einem einfach auf die Nerven mit ihrer Einstellung.»
Gopfertori, sieht man auf dem Land die Bedürfnisse von uns Städtern eigentlich nicht?
Die Differenzen zeigen sich vor allem beim Verkehr. Jüngstes Beispiel: Der Autobahnzubringer Spange Nord, den der Kanton auf Stadtgebiet bauen wollte.
Ausserhalb der Stadt war das 200-Millionen-Projekt weitgehend unbestritten. In Luzern dagegen formierte sich erbitterter Widerstand in Bevölkerung, Parlament und Regierung. Ergebnis: Der Kanton verkleinerte das Projekt – und hat mittlerweile auch die abgespeckte Variante davon auf Eis gelegt.
Trotzdem braucht jede Seite die andere
Das zeigt: Wehrt sich die Stadt gegen ein Projekt, wird es schwierig für den Kanton. Umgekehrt ist aber auch die Stadt auf die Landbevölkerung angewiesen – etwa, wenn es in einer Abstimmung darum geht, genügend Unterstützung für ein neues Theater zu erhalten. Eine verzwickte Situation.
Die Haltung der Stadt «nerve» ihn zuweilen, sagt CVP-Kantonsrat Adrian Nussbaum. Der Kanton sei nun einmal zuständig für Infrastrukturprojekte, die der Versorgung des ganzen Kantons dienten. «Er muss auch die Interessen der Landbevölkerung wahrnehmen», sagt er.
Die politische Haltung der Stadt nervt mich manchmal schon.
SP-Stadtparlamentarier Stübi dagegen ärgert sich, dass der Kanton der Stadt ständig Bauprojekte «aufs Auge drücken wolle» und die Bedürfnisse seiner Hauptstadt übergehe.
Ist die Regierung zu einseitig aufgestellt?
Da sei etwas dran, findet Korintha Bärtsch, Grüne Kantonsrätin aus der Stadt. Das Problem komme unter anderem daher, dass die Kantonsregierung einseitig zusammengesetzt sei: Fünf bürgerliche Männer, keiner aus der Stadt. «Die Stadt ist ein wichtiger Motor», sagt sie. «Man muss nicht alles so machen, wie sie es will, aber man sollte sie anhören und nicht einfach von oben herab über sie zu bestimmen versuchen.»
Was also tun? Stadtparlamentarier Stübi hat eine Facebook-Gruppe gegründet, die einen Kanton Stadt Luzern fordert – eher als Gag, aber rund 600 Personen sind der Gruppe beigetreten.
Bessere Kommunikation, weniger Sturheit
Patrick Hauser, FDP-Kantonsrat aus der Stadt, glaubt dagegen, dass sich vieles entkrampfen würde, wenn die Kommunikation besser wäre. «Bei der Verständigung zwischen der Stadt und dem Kanton auf beiden Seiten läuft vieles nicht ideal», sagt er. Kanton und Hauptstadt sollten sich früher zusammensetzen und gründlicher miteinander reden. Auch SVP-Kantonsratskollegin Vroni Thalmann glaubt: «Manchmal ist einfach die Sturheit auf beiden Seiten zu gross.»
Wobei diese Erkenntnis beiden Parlamenten helfen könnte, manchmal über den eigenen Schatten zu springen.