Bis vor Kurzem warben die Grünen und die SP in der viertgrössten Stadt der Schweiz stets gemeinsam für ihre Kandidatinnen und Kandidaten. Zusammen mit der Partei der Arbeit stellen sie seit 2006 die linke Mehrheit in der siebenköpfigen Stadtregierung – während den bürgerlichen Parteien nur ein Sitz bleibt, der von der FDP gehalten wird.
Für die diesjährigen Wahlen am 7. März ist alles anders: Die Grünen haben mit ihrem langjährigen Partner, der SP, gebrochen und wollen einen zusätzlichen Sitz in der Stadtregierung erobern.
Grüne haben Appetit auf mehr
Bereits bei der «Grünen Welle» bei den nationalen Wahlen 2019 schnappten die Grünen in der Waadt der SP ihren Ständeratssitz weg. Auch in der Stadt Lausanne gewannen sie dazu: Zusammen mit ihrer Jungpartei wurden die Grünen zur stärksten Partei.
«Wir haben seither viele Mitglieder gewonnen. Das hat uns Flügel gegeben – wir haben einen neuen Ehrgeiz entwickelt, und wir sind stolz darauf», erklärt die bisherige Grüne Stadträtin Natacha Litzistorf.
Wenige bekannte Köpfe
Das ist für den Politikwissenschafter René Knüsel zwar nachvollziehbar. Doch die Grünen gingen mit ihrem Alleingang auch ein Risiko ein: «Die Ausgangslage ist für die Grünen nicht die beste, denn sie müssen nicht nur ein Regierungsmitglied ersetzen, sondern wollen auch noch einen zusätzlichen Sitz erobern. Das ist schon eine grosse Herausforderung.»
Umso mehr, weil die Grünen wenige «bekannte und anerkannte Persönlichkeiten» präsentieren könnten, so Knüsel. Das sei bei Regierungswahlen ein Problem, die wegen des Majorzwahl-Verfahrens als «Kopf-Wahlen» gelten. «Um das zu kompensieren, setzen die Grünen in ihrer Kampagne stärker auf ihr Programm als auf Persönlichkeiten», so Knüsel. Das zeige sich auch beim Thema Klima, das im Wahlkampf eine wichtige Rolle spiele.
Wettkampf um grüne Forderungen
Dazu bot die bisherige Stadtregierung eine Steilvorlage: Vor wenigen Wochen präsentierte sie einen ambitionierten Klimaplan – eine Art Wahlversprechen für die Regierung in ihrer bisherigen Zusammensetzung. Obwohl darin «nur» zwei Grüne sitzen, gehen die Forderungen weit.
Für die Grüne Partei wird es schwierig, sich mit ihren Forderungen zu positionieren.
Die ambitionierteste Massnahme: Die Stadt will bis 2030 sämtliche Autos mit Verbrennungsmotoren verbannen und stattdessen die Elektromobilität, den ÖV und den Veloverkehr fördern. Damit könnte die Regierung gerade bei jungen Wählerinnen und Wählern punkten, die bei den Lausanner Klimademos in besonders grosser Zahl auf die Strasse gegangen waren.
«Für die Grüne Partei wird es damit schwierig, sich mit ihren Forderungen zu positionieren», sagt René Knüsel. Tatsächlich hat die Partei den Klimaplan der Stadt zwar gutgeheissen, aber nur um gleichzeitig zu fordern, dass alles noch viel schneller und weiter gehen müsste.
Gemeinsame Ziele, unterschiedliche Lösungen
Die SP, die in der aktuellen Stadtregierung mit drei Sitzen stärkste Kraft ist und das auch bleiben will, betont trotz der neuen Konkurrenz die Gemeinsamkeiten mit den Grünen. «Wir verfolgen dieselben Ziele», sagt die bisherige SP-Stadträtin Florence Germond.
Unterscheiden würde sich die SP bei den Lösungen: «Wir stehen genauso für den Umweltschutz, stellen aber den Menschen ins Zentrum», so Germond. «Wenn wir Umweltsteuern einführen, wollen wir auch soziale Begleitmassnahmen, damit beim Klimaschutz niemand auf der Strecke bleibt.» Dass die Grünen alleine in den Wahlkampf ziehen wollen, akzeptiere, aber bedaure man.