Der Entscheid über den Familiennachzug im Ständerat heute ist eine Art Testfall. Und so waren alle Augen auf die Mitte-Partei gerichtet – die traditionelle Mehrheitsmacherin im Ständerat. Pirmin Bischof (SO) führt die Gruppe der Mitte-Ständeräte an.
Er will den Familiennachzug streichen, weil vorläufig Aufgenommene keine Asylgründe hätten: «Wir müssen uns überlegen, ob wir uns als attraktives Land darstellen wollen für Menschen, die keinen Anspruch haben, in der Schweiz zu sein», sagte Bischof vor der Debatte. Er glaube, das Geschäft habe einen gewissen Symbolcharakter und gehe davon aus, dass die meisten Mitte-Ständeräte den Familiennachzug ebenfalls streichen würden.
Doch einig waren sich die Mitte-Ständeräte nicht. Die Schweiz sei schon streng genug, sagte Mitte-Vertreter Stefan Engler aus dem Bündnerland: Vorläufig Aufgenommene dürften keine Sozialhilfe beziehen. Sie müssten eine Landessprache sprechen und eine genügend grosse Wohnung haben. Erst dann dürften sie ihre Familie in die Schweiz holen.
«Ein absolutes Verbot des Familiennachzugs würde also diejenigen Geflüchteten treffen, die sich integriert haben und selbst für das Familieneinkommen aufkommen», erklärte Engler. Es sei ein Gebot der Humanität, Familien zusammenzuführen und sie nicht zu teilen.
Es gibt kein Recht, mit seiner Familie irgendwo auf dieser Welt zu leben.
Im Schnitt der letzten Jahre haben die Behörden pro Jahr gerade einmal 108 Kindern und Ehepartnerinnen von vorläufig aufgenommenen Personen die Einreise erlaubt. Ja, diese Zahlen seien tief, entgegnete SVP Ständerätin Esther Friedli (SG). Doch sie könnten in Zukunft deutlich steigen, weil es immer mehr vorläufig Aufgenommene gebe: «Es gibt kein Recht, mit seiner Familie irgendwo auf dieser Welt zu leben.» Nehme eine vorläufig aufgenommene Person über den Familiennachzug seine Familie in die Schweiz, werde sie die Schweiz kaum mehr verlassen, behauptete Friedli.
Ständeräte der FDP sahen es ebenso. Dagegen hielten die Vertreterinnen und Vertreter von SP, den Grünen, aber auch beispielsweise die Grünliberale Züricher Ständerätin Tiana Angelina Moser. Sie warnte davor, den Familiennachzug zu streichen. Das träfe vor allem Kinder, die Schwächsten, die Vulnerabelsten also. «Es geht um Symbolpolitik und es geht um Abschreckung», so Moser im Rat. Abschreckung sei nicht der richtige Weg.
Es geht um Demokratie, es geht um Freiheit. Und es geht auch um Menschlichkeit.
Auch der Justizminister Beat Jans engagierte sich gegen ein Verbot des Familiennachzugs. Die Schweiz würde damit die Bundesverfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention verletzen, warnte er. Und er appellierte: «Es geht um Demokratie, es geht um Freiheit. Und es geht auch um Menschlichkeit.» Wir würden uns selber schaden, wenn diese Werte infrage gestellt würden.
Kontrapunkt trotz klar härterer Asylpolitik
Am Schluss wurde es knapp im Ständerat: Mit zwei Stimmen Unterschied entschied er, es soll sich nichts ändern. Vorläufig Aufgenommene können auch künftig im Grundsatz ihre Ehepartner und Kinder in die Schweiz holen. Den Ausschlag gaben die Mitte Ständeräte. Entgegen also der Prognose von Mitte Gruppenchef Pirmin Bischof.
In den letzten Monaten zeigte der Trend im Parlament klar in Richtung einer härteren Asylpolitik. Der Ständerat setzte heute einen Kontrapunkt.