Die Abtreibungsgegner dürfen auch im kommenden Jahr nicht durch Zürich ziehen. Die Stadtregierung verbietet den «Marsch fürs Läbe» und bewilligt lediglich eine Kundgebung auf einem Platz. Bereits dieses und vergangenes Jahr hatte die Stadt keine Bewilligung erteilt. 2019 setzten die Abtreibungsgegner das Recht auf einen Marsch gerichtlich durch.
«Sicherheitsbedenken»
Die städtische Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart (Grüne) begründete den Entscheid mit Sicherheitsbedenken, wie SRF News in Erfahrung brachte. Der «Marsch fürs Läbe» ruft jeweils linke und vor allem linksextreme Gruppierungen auf den Plan. 2019 gab es Gegendemonstrationen mit massiven Ausschreitungen, Sachbeschädigungen, brennenden Barrikaden und Angriffen auf Polizei und Feuerwehr.
Ein Umzug der Abtreibungsgegner lasse sich nicht mit «verhältnismässigen Mitteln» vor solchen Angriffen schützen, so die Stadtregierung. Deshalb sei nur eine stehende Kundgebung auf dem Turbinenplatz im Zürcher Industriequartier möglich.
Maulkorb für ungeliebte politische Gruppierung?
Die linke Stadtregierung musste sich von der Organisation «Marsch fürs Läbe» und von bürgerlichen Parteien schon den Vorwurf gefallen lassen, der 1.-Mai-Umzug am Tag der Arbeit sei möglich, obwohl es dort auch immer wieder zu Nachdemonstrationen mit Randale und Polizeieinsätzen komme. Die Stadtregierung verneint aber, dass das Verbot ideologisch und politisch motiviert sei. Auch bei anderen Demonstrationsanträgen würden zum Teil nur stehende Kundgebungen bewilligt. Demonstrieren sei eben ein Grundrecht mit Grenzen.
Ist das Vorgehen der Stadt demokratisch?
Der Stadtzürcher Jurist Patrice Zumsteg hat seine Dissertation über Demonstrationen in Zürich geschrieben. Er sagt, wenn jemand mit Gewalt drohe, um eine Demonstration zu stören, sei es die Aufgabe der Behörden, gegen diese Leute vorzugehen. Geschützt werden müssten jene, die ihre Grundrechte ausüben wollten. Das seien in diesem Fall die Abtreibungsgegnerinnen und -gegner.
Ausserdem umfasst das Demonstrationsrecht laut Zumsteg eine sogenannte Appellwirkung: Wer demonstriere, soll damit möglichst viele Personen erreichen können. Das sei gerade für kleine, marginalisierte Gruppierungen wie den «Marsch fürs Läbe» sehr wichtig. Der am Wochenende nicht belebte Turbinenplatz im Industriequartier sei deshalb keine Alternative zu einem Umzug. Das Demonstrationsrecht werde damit beschnitten.
Rechtsweg wahrscheinlich
Nach dem gerichtlichen Erfolg der Abtreibungsgegner im vergangenen Jahr ist noch nicht klar, ob sie den jüngsten Entscheid beim Statthalter anfechten wollen, wie Brunner sagt. Eine Sprecherin der Organisation kündigte aber bereits vor zwei Wochen an, man werde wohl erneut den Rechtsweg beschreiten – allenfalls bis vor Bundesgericht.