Den Verkehrsunterricht kennen die meisten: Wie man zu Fuss richtig über den Zebrastreifen geht oder wie man mit dem Velo korrekt abbiegt, erklären die Polizistinnen und Polizisten den Kindern bereits im frühen Alter. Immer grösser werde aber das Bedürfnis, dass die Polizei in den Schulen auch über Gewalt, Digitale Medien oder Sucht spricht, sagt Michael Fichter, Chef Prävention der Kantonspolizei Bern: «Wir stellen fest, dass die Schulen an ihre Grenzen kommen, sich an uns wenden und sagen: Wir können den Unterricht nicht mehr fortführen, bitte helft uns.»
Mit ein Grund ist die steigende Jugendkriminalität. In den letzten Jahren haben die Straftaten von Jugendlichen zugenommen – auch im Kanton Bern. Ob sich dieser Trend fortsetze, müsse erst abgewartet werden, sagt Fichter. Aber: «Wir haben einen Fokus in der Jugendgewalt und sagen den Schülerinnen und Schülern, wie sie sich als Zeugen oder Opfer verhalten sollen, wenn es so weit kommt.»
Eine Konkurrenz zu anderen Fachstellen sei die Polizei dabei nicht, betont Fichter. «Wir haben einen anderen Fokus. Wir erzählen aus unserer Erfahrung.» Mit betroffenen Schülerinnen oder Schüler direkt sprechen beispielsweise würde die Schulsozialarbeit. «Das Problem ist, sie sind nicht flächendeckend unterwegs.» Also nicht alle Schülerinnen und Schüler würden davon profitieren.
Über die Gewalt in der Schule und Freizeit will die Kantonspolizei künftig bei jeder 7. Klasse während zwei Lektionen sprechen. Die Sucht und Fahrfähigkeit soll in der 8. Klasse behandelt werden und die Ursachen und das Verhalten bei einem Verkehrsunfall in der 9. Klasse. Das ist jedenfalls der Plan, die Mittel dazu hat die Kantonspolizei aber noch nicht. Damit die Polizei jede Klasse im Kanton besuchen könne, müsse erst das Kantonsparlament zusätzliche Stellen bewilligen, so Fichter. So beginnt das Projekt erst einmal in neun Gemeinden und Städten im Kanton.
Fokus: Digitale Medien
Wovon aber bereits alle Schulklassen der 6. Klasse profitieren, sind zwei neue Lektionen rund um die Digitalen Medien. Denn jedes zehnte Kind im Alter zwischen 12 und 13 Jahren ist bereits mit Pornografie in Kontakt gekommen. Eines von zehn hat bereits erlebt, dass Fotos von ihm ohne seine Zustimmung in Umlauf gekommen sind. Jedes dritte Kind in der 6. Klasse hat bereits ein Video mit Gewaltinhalten gesehen.
Sie sollen erst denken, dann handeln.
Die Zahlen aus einer Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften aus dem letzten Jahr zeigen: sexuelle Belästigung, Cybermobbing und Gewaltdarstellungen sind ein Thema. «Mein Job ist, Straftaten verhindern. Ich möchte sie dazu bringen, erst zu denken und dann erst zu handeln», sagt Evelyne Krähenbühl, ausgebildete Lehrerin, die als Polizistin die Lektionen in den Klassen leitet.
Froh um die Polizeipräsenz im Klassenzimmer ist die Leiterin der Schule Grauholz, Brigitte Schütz. Sie ist für die 3. bis 6. Klassen verantwortlich. Das Problem mit den Digitalen Medien habe nämlich auch bei ihnen zugenommen: «Je mehr die Kinder mit Smartphones oder neuerdings auch mit Smartwatches herumlaufen, wird es schwieriger.»
Man müsse aber lernen damit umzugehen und nicht nur Verbote auszusprechen, sagt Schütz. In den Lektionen der Polizei würden die Schülerinnen und Schülern lernen, respektvoll mit den Digitalen Medien umzugehen und: «Dass sie ihr Hirn einschalten und überlegen, was sie tun und dass sie hin stehen und Selbstverantwortung tragen müssen.»