Die Ursachen sind bekannt, doch bisher fanden sich kaum politische Mehrheiten, um die steigenden Gesundheitskosten effektiv anzugehen und die Fehlanreize im System zu beseitigen. Das Parlament half selten mit bei Massnahmen, die die Kosten wirklich senken könnten. Sie wurden auf die lange Bank geschoben oder zwischen den unterschiedlichen Interessen zerrieben. Diagnose: eine gelähmte Politik.
Ein gutes Gesundheitssystem dürfe auch etwas kosten, so die Überzeugung. Das scheint sich gerade zu ändern. Der Druck ist nun offenbar hoch genug.
Der Ständerat bricht ein Tabu
Kurz bevor Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider über die neue Prämienrunde informierte, brach der Ständerat ein Tabu. Er will die Krankenkassen von der Pflicht befreien, die Behandlungen sämtlicher Therapeuten und Ärztinnen bezahlen zu müssen, wenn die Angebote in einem Gebiet schlicht zu gross sind.
Bisher war eine solche Lockerung des Vertragszwangs nicht mehrheitsfähig, obwohl sie direkte Auswirkungen auf die Kosten hat. Denn: Wo das Angebot an medizinischen Leistungen gross ist, da steigt auch die Nachfrage – in vielen städtischen Zentren ist das etwa der Fall.
Der Beitrag jeder und jedes einzelnen
Zudem hat der Ständerat beschlossen, dass die Mindestfranchise erhöht werden soll. Die Botschaft ist klar: Jede und jeder soll etwas mehr an die Kosten zahlen und sich überlegen, ob der Gang zur Ärztin wirklich nötig ist oder ob vielleicht der Apotheker weiterhelfen könnte.
Denn in der Zeit nach der Pandemie sind die Menschen in der Schweiz mehr in Behandlung gegangen – sicher holten sie zum Teil nach – doch fühlen sie sich offenbar auch schlechter, wie Umfragen zeigen.
Mit Anreizen zu tieferen Kosten?
Der Prämien-Druck hat die Bevölkerung dieses Jahr nicht dazu getrieben, die SP-Initiative für die Prämien-Entlastung oder die Mitte-Initiative der Kostenbremse anzunehmen.
Die Gegenprojekte dazu könnten frühestens auf 2026 in Kraft treten. So sollen die Kantone mehr an die Prämienverbilligungen bezahlen, unterstützt von Bundesbeiträgen. Ausserdem erhalten die Kantone Anreize, die Gesundheitskosten auf ihrem Gebiet tief zu halten.
Die Bundesrätin hofft auf Reformen
Zudem sind zwei Reformen in greifbarer Nähe: die überarbeiteten Tarife im ambulanten Bereich und die «Einheitliche Finanzierung», die im November zur Abstimmung kommt. Von beiden Reformprojekten erhofft sich die Bundesrätin eine Entlastung der Prämienzahlenden und eine bessere Gesundheitsversorgung. Doch gegen Widerstand kämpfen beide Projekte – sie sind greifbar und dennoch weit entfernt.
Eine Diagnose zum Zustand von Gesundheitspolitik und Prämienwachstum: Der Druck steigt, Reformen zeichnen sich ab am Horizont – ein Hoffnungsschimmer.