Im Gestell der beiden Spezialistinnen für Cyber-Pädokriminalität stehen Computer, Laptops, Kisten voller Festplatten und Memorysticks. Es ist die Ausbeute einer gross angelegten Aktion gegen Kinderpornografie im Netz.
Dabei wurden fast 100 Personen einvernommen. Zwei kamen in Untersuchungshaft, wie die Kantonspolizei Anfang Dezember mitteilte.
Auf dem Tisch der Spezialistin Florence (ihren Nachnamen will sie aus Sicherheitsgründen nicht medial verbreiten) liegt eine Festplatte. Zuerst scannt ein Programm die Inhalte. «Viele kinderpornografische Inhalte aus dem Internet tauchen immer wieder auf», sagt sie. Danach sichtet die Spezialistin Dateien: «Neue Bilder und Videos bedeuten neue Opfer, die Hilfe brauchen.»
Zahl der Rapporte hat sich verdoppelt
Wie oft sie neues Material findet, kann die Spezialistin nicht sagen. Und ganz generell tappt schnell im Dunkeln, wer nach exaktem Zahlenmaterial zu Pädokriminalität im Internet sucht. Die Untersuchungen im Kanton Waadt basieren auf Verdachtsmeldungen aus den USA.
Kampf gegen Pädokriminalität
Internetgiganten wie Facebook und Google melden verdächtige Inhalte einer US-Organisation für Kinderschutz. Danach kommen die Verdachtsmeldungen ans Fedpol. Das Bundesamt für Polizei prüft, ob die Inhalte gegen Schweizer Recht verstossen.
Ist das der Fall, erhält die zuständige Kantonspolizei einen Rapport. Gesamtschweizerisch verschickte das Fedpol letztes Jahr knapp 1400 Rapporte, doppelt so viele wie noch zwei Jahre davor. Im Kanton Waadt münde fast jeder Fedpol-Rapport in eine Strafverfolgung, erklärt Spezialistin Florence.
Jahr | US-Verdachtsmeldungen | Rapporte an Kapo |
2021 | 7176 | 1399 |
2020 | 7852 | 1166 |
2019 | 8028 | 693 |
Die Fedpol-Rapporte sind im Kanton Waadt nur ein Teil der Aufgabe der Spezialistinnen. Wenn immer Zeit bleibt, gehen sie undercover online. Sie kennen die Jagdgründe der Pädophilen aus ihren Ermittlungen.
Wenn Florence sich unter Pseudonym in ein bei Jugendlichen beliebtes Chatprogramm einloggt, geht es nur wenige Sekunden, bis erste Nachrichten eingehen: «Lust einen 45-jährigen Mann kennenzulernen?»
Die Polizistin hat strikte Vorgaben für diese Arbeit. Sie darf keine Aussagen provozieren, muss sofort schreiben, dass sie minderjährig sei. «Ich weiss nicht. Ich bin erst 14», antwortet sie und fügt an: «Aber warum nicht?».
Dickpicks und Rendez-vous
Die Polizistin schreibt wie eine Jugendliche. Der Kontakt kann sich über mehrere Tage und Wochen hinziehen. Sie sichert dabei den Chatverlauf – inklusive Beweismittel, wie beispielsweise Fotos von erigierten Gliedern.
Wenn einer ein Treffen vorschlägt, lässt sie sich darauf ein. Im besten Fall kann die Polizei zuschlagen. Wie oft das gelingt, behält die Polizei für sich.
Der Kinderschutz Schweiz befürwortet grundsätzlich, wenn entschiedener gegen Pädokriminalität im Netz vorgegangen wird. Regula Bernhard Hug erinnert aber daran, dass allein in Europa drei Millionen Bilder in Umlauf seien.
«Diese Inhalte machen weder vor Landes- noch Kantonsgrenzen halt», sagt sie. Und stellt deshalb infrage, ob es sinnvoll sei, diesen Inhalten auf Kantonsebene nachzuforschen.
Auch der Bundesrat muss die Frage beantworten, wie gut die Schweizer Strafverfolgung im Cyberspace funktioniert. Ein entsprechender Vorstoss aus dem Parlament ist hängig.