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Sterbehilfe im Gefängnis «Verwahrter müsste über seinen eigenen Tod entscheiden dürfen»

Ist der Wunsch nach Suizidbeihilfe im Gefängnis legitim? Ein Gespräch mit Rechtsprofessor Martino Mona.

Der verwahrte Peter Vogt möchte beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen. Seine Haftstrafe wegen mehrfacher Vergewaltigung hat der 68-Jährige verbüsst. Seine Freiheit wird er dennoch nicht mehr erlangen, denn er wurde wegen attestierter Rückfallgefahr verwahrt – er sitzt in der interkantonalen Strafanstalt Bostadel im Kanton Zug.

Ob ihm die beihilfe zum Suizid gestattet wird, müssen schlussendlich die Justizbehörden entscheiden.

Der «Rundschau»-Beitrag über Peter Vogts Wunsch löste ein grosses Echo aus. Denn die Geschichte beinhaltet einen ethischen Konflikt, sagt Martino Mona, Professor für Rechtsphilosophie an der Universität Bern.

Martino Mona

Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Bern

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Martino Mona studierte Philosophie und Kunstgeschichte an den Universitäten Fribourg, Paris, Oxford und Bern. Weiter studierte er Rechtwissenschaften an den Universitäten Bern, Basel und an der Harvard Law School und Cambridge. Seit 2012 hat der den Lehrstuhl für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Bern inne.

SRF News: Der Bericht über Peter Vogt, der als Verwahrter gerne Sterbehilfe in Anspruch nehmen möchte, stösst bei unseren Usern auf reges Interesse. Weshalb lässt der Wunsch eines Mannes derart aufhorchen?

Was Peter Vogt in Anspruch nehmen möchte, ist nicht Sterbehilfe, sondern Suizidbeihilfe – er möchte sich selber töten und möchte, dass Exit ihm dabei hilft, das Sterbemittel zu beschaffen. Der sterbewillige Mann wird dieses Mittel dann selber trinken und sich so selber töten. Obschon es sich dabei um ein Verhalten handelt, dass in der Schweiz zu Recht grundsätzlich legal ist, erstaunt es wenig, dass der Wunsch von Peter Vogt aufhorchen lässt.

Einige sagen sich wohl: Der Mann ist doch verwahrt, der soll bloss still sitzen und leiden.
Autor: Martino Mona Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie

Das liegt an der Tatsache, dass die Verwahrung politisch sehr brisant, zu einem Kampfbegriff geworden ist und von vielen Missverständnissen und Vorurteilen umgeben ist. Einige sagen sich wohl: Der Mann ist doch verwahrt, der soll bloss still sitzen und leiden. Er soll nicht denken, er dürfe auch noch in Genuss von Exit kommen so wie ein unbescholtener Bürger, der in Würde sterben will.

In unseren Kommentaren sind die Meinungen gespalten. Ein Kommentator etwa stellt sich auf den Standpunkt, dass zwischen der bereits verbüssten Haftstrafe und der Massnahme unterschieden werden müsse und die Verwahrung keine Sühne mehr darstelle.

Wer bei einer Verwahrung davon redet, es gehe um Verantwortung für die eigenen Taten, um Sühne, um Schuld oder gar um gerechte Strafe, befindet sich in einem grossen Irrtum.

Wenn sich Herr Vogt mit Hilfe von Exit selber tötet, erfüllt er auf sehr drastische Weise genau den Zweck der Verwahrung.
Autor: Martino Mona Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie

Die Verwahrung ist eine Massnahme und keine Strafe. Mit ihr soll nicht begangenes Unrecht gebüsst oder ein Verbrechen vergolten werden. Die Verwahrung hat nur einen Zweck: Den Straftäter weit über die Dauer der verdienten Strafe hinaus zu sichern und von der Gesellschaft fernzuhalten.

Wenn sich Herr Vogt mit Hilfe von Exit selber tötet, erfüllt er auf sehr drastische Weise genau den Zweck der Verwahrung – von ihm wird nie mehr eine Gefahr ausgehen. Das hört sich zwar zynisch an, passt aber sehr gut zur Verwahrung, die selber ein sehr zynisches Gebilde ist.

Aber wenn wir schon Menschen zu Sicherungszwecken verwahren, sollten wir ihnen nicht auch noch das Recht nehmen, selber einen würdevollen Tod zu wählen.

Schlussendlich müssen die zuständigen Justizbehörden über die Sterbehilfe entscheiden. Hat nicht jeder Mensch das Recht, über sein eigenes Leben entscheiden zu können?

Ich habe ehrlich gesagt schon Mühe damit, dass es hierfür eine Bewilligung braucht. Auf jeden Fall würde alles andere als ein positiver Entscheid der Behörde im Sinne von Herrn Vogt an Barbarei grenzen. Als Verwahrter erbringt Herr Vogt ohnehin schon ein Sonderopfer für die Gesellschaft. Wenn man ihm den selbstgewählten Tod verunmöglicht und ihn übermässig leiden lässt, ist das nur noch unmenschlich.

Ein Verwahrter hat zwar nicht das Recht, über das eigene Leben zu entscheiden. Er müsste aber wenigstens noch über den eigenen Tod entscheiden dürfen.

Der Fall könnte Präzedenz schaffen. Was könnte ein positiver Entscheid der Justizbehörden auslösen?

Es geht nicht um aktive Sterbehilfe – in der Schweiz ist es nicht erlaubt, einen Menschen auf sein Verlangen hin absichtlich zu töten. Es geht um Hilfe beim Suizid. Und ich wage zu bezweifeln, dass dies noch nie der Fall war. Auch Menschen im Gefängnis töten sich selbst, und es kommt sicher auch vor, dass andere Menschen ihnen dabei helfen. Die Frage ist nur, ob man dies bei einem sterbewilligen Verwahrten dem Zufall überlässt oder ob man ihm erlaubt, diesen letzten freiwilligen Schritt mit ein bisschen mehr Würde gehen zu können.

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