Wenn jemand im Kanton Zürich ein Haus verkauft und dabei Gewinn macht, erhalten die Gemeinden einen Anteil davon: die Grundstückgewinnsteuer. Weil die Immobilienpreise im Kanton seit Jahren steigen, hat sich diese Summe ebenfalls massiv erhöht. Vor zehn Jahren nahmen alle Zürcher Gemeinden zusammen eine halbe Milliarde Franken ein. 2023 waren es bereits 1.25 Milliarden Franken.
Nun will auch der Kanton etwas von diesem Geldsegen abbekommen. Der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) hat bekanntgegeben, dass 25 Prozent der Steuern künftig in die Kasse des Kantons fliessen sollen.
Eine solche Regelung ist in der Schweiz kein Novum. Lediglich in Zug und Zürich ist der Kanton nicht an der Grundstückgewinnsteuer beteiligt. In der übrigen Schweiz geht das Geld entweder zu 100 Prozent an den Kanton, oder wird zwischen den Gemeinden und dem Kanton aufgeteilt.
Es kann nicht sein, dass sich der Kanton verschuldet in wirtschaftlich guten Zeiten.
Der Finanzhaushalt des Kantons Zürich gerate aktuell an seine Grenzen, etwa bei teuren Infrastrukturvorhaben. «Es kann nicht sein, dass sich der Kanton verschuldet in wirtschaftlich guten Zeiten», sagt Ernst Stocker. Die gute Infrastruktur und die hohe Standortattraktivität des Kantons lasse die Bodenpreise steigen. «Davon profitieren derzeit nur die Gemeinden, und das sehen wir als nicht mehr adäquat an.»
Auch die SVP ist gegen die Idee ihres Finanzdirektors
Wenig begeistert von Stockers Vorschlag sind die Gemeinden. «Es ist der falsche Weg, die Mittel der Gemeinden abzuschöpfen, um die Aufgaben des Kantons wahrzunehmen», sagt Jörg Kündig, Präsident des Verbands der Gemeindepräsidien im Kanton Zürich. Auch die Gemeinden tragen ihren Beitrag bei zur Standortattraktivität. Zudem seien vor allem diejenigen Gemeinden, die viel in den kantonalen Finanzausgleich einzahlen, angewiesen auf diese Mittel.
Mittel der Gemeinden abzuschöpfen ist der falsche Weg.
Jörg Kündig und der Verband der Gemeindepräsidien wollen die Vorlage bekämpfen – und auch Ernst Stockers eigene Partei stellt sich gegen ihn. Die SVP des Kantons Zürich sieht die finanzielle Autonomie der Gemeinden in Gefahr. Statt bei den Gemeinden abzuschöpfen, solle der Kanton mit seinen finanziellen Mitteln effizienter wirtschaften, schreibt die Partei in einer Mitteilung.
Auch die kantonale SP sieht Stockers Idee kritisch. Es gehe nicht an, dass der Kanton nun den Gemeinden die Mittel kürzen wolle und zugleich Kosten auf die Gemeinden abwälze, heisst es in der Mitteilung der SP. Beispielsweise habe sich der Kanton erst kürzlich aus der geplanten Mitfinanzierung von Kinderbetreuungsplätzen zurückgezogen.
Stadt Zürich müsste dem Kanton am meisten abgeben
Am stärksten beeinträchtigt würde die Stadt Zürich, die im vergangenen Jahr alleine rund 500 Millionen Franken über die Grundstückgewinnsteuern eingenommen hat. Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) sagt entsprechend: «Es ist nicht fair, wenn sich der Kanton hier einseitig bedienen will.» Dies verschiebe das Problem einfach vom Kanton zu den Gemeinden, denn nicht nur die Infrastruktur des Kantons werde immer teurer, sondern auch diejenige der Gemeinden.
Ernst Stockers Gesetzesänderung kommt nun in die Vernehmlassung. Er ist sich bewusst, dass er dabei mit viel Gegenwind rechnen muss.