Der Ständerat hat heute Morgen ganz bewusst Äpfel mit Birnen vermischt. Die Steuerreform 17 hat sachlich nichts mit der AHV-Reform zu tun. Trotzdem hat der Ständerat mit 34 Ja gegen 5 Nein, dem wohl grössten politischen Schacher des Jahres zugestimmt, nach mehr als 4 Stunden ruhiger und sachlicher Debatte.
So weit so gut. Nur darf man das? Zwei sachfremde Themen nur deswegen miteinander verknüpfen, damit sich am Schluss links und rechts eine Scheibe dieses Kompromisses abschneiden und im eigenen Lager damit prahlen dürfen: Schaut her, wir haben das und das erreicht? Geht das, ist das erlaubt, ist das politisch opportun?
«Einheit der Materie»
Den Vätern und Müttern des Kompromisses (Konrad Graber und Pirmin Bischof CVP, Anita Fetz und Paul Rechsteiner SP, Karin Keller-Sutter und Ruedi Noser FDP) selber war offenbar bewusst, dass sie mit dieser Verknüpfung weit gingen. Deshalb verlangten Sie ein juristisches Gutachten vom Bundesamt für Justiz (BJ) zum Grundsatz der «Einheit der Materie».
Danach sollen die Stimmberechtigten mit ihrem «Ja» oder «Nein» zu einer Frage nicht über verschiedene Dinge befinden müssen, die keinen «ausreichenden Sachzusammenhang» haben. Das meint die Lehre.
Die Juristen des BJ kommen zum Schluss: Die Verknüpfung von AHV-Finanzierung und Unternehmenssteuerreform sei ein «Grenzfall», der «kritisch zu betrachten» aber «vertretbar» sei. In ähnlich gelagerten Fällen sagte das Bundesgericht «Njet» geht nicht. Also noch einmal Mal Glück gehabt.
Erfolg im zweiten Anlauf
Politisch scheinen solche «Päckli» (pro verlorenen Steuerfranken 1 Franken für die Finanzierung der AHV) derzeit in Mode zu sein. Bereits im Februar 2017 sagte das Waadtländer Stimmvolk bei der kantonalen Umsetzung der Unternehmenssteuerreform etwa Ja zu höheren Familienzulagen als Gegenleistung für tiefere Firmensteuern.
Im konkreten Fall erhöht die Verknüpfung die Chance, dass die derzeit zwei grössten Reformen des Landes, die beide letztes Jahr vom Volk verworfen wurden, beim zweiten Anlauf durchkommen. Vielleicht gelingt das eben nur darum, weil man sie miteinander verknüpft. Davon ist eine Mehrheit der Ständeräte überzeugt. Ständerat Peter Föhn (SVP/SZ) bemerkte sarkastisch: «Zwei Kranke zu verheiraten hat noch nie zum Erfolg geführt».
Unschöne Vermischung
Es ist also ein wenig wie im Casino: Mit dem höheren Spieleinsatz lässt sich auf einen Schlag viel mehr gewinnen aber mit vollem Einsatz kann man auch alles subito verlieren. Das ist eigentlich unverantwortlich, trotzdem hat dieser Kompromiss etwas Bestechendes.
Die Linke erhält mit dem Schacher einen Zustupf für die kränkelnde AHV und die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 lässt sich noch für ein paar Jahre hinausschieben.
Die Rechte erhält endlich ihre Unternehmenssteuerreform und damit wieder Rechtssicherheit. Das ist der Goldstandard für die Wirtschaft: Mobile Firmen bleiben nur, wenn sie wissen, wie viel bzw. wenig Steuern sie bezahlen müssen.
Fazit: Diese Vermischung von eigentlich «Unvermischbarem» ist unschön, ein Grenzfall.
Mammutreform kann noch abstürzen
Sollte die Verknüpfung von AHV und Steuerreform nach heute auch die Debatte im Nationalrat und auch eine Volksabstimmung überleben, hat der Ständerat aber gezeigt, dass im Stöckli die viel beschworene Lust am Kompromiss und der Wille zur Gestaltung noch immer quicklebendig ist. Eine Annahme der Steuervorlage 17 wäre ein grosser Sieg für die «Chambre de Réflexion».
Stürzt die verknüpfte Mammutreform ab, haben wir ein Problem. Die beiden grössten politischen Baustellen wären immer noch nicht gelöst und der Druck auf die Schweiz würde noch grösser.