Die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch fordert ein Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer. Sie sollen über kommunale Fragen mitbestimmen können, sagte sie in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger». Mauch will nach den Sommerferien eine entsprechende Behördeninitiative beim Kantonsrat einreichen. Der Politikwissenschaftler Oliver Strijbis glaubt nicht, dass das Anliegen grosse Chancen hat.
SRF News: Wie beurteilen Sie den Vorschlag der Zürcher Stadtpräsidentin?
Oliver Strijbis: Rein normativ begrüsse ich dieses Anliegen. Denn es gibt ein Problem in der Schweiz: Ein grosser Teil der Bevölkerung hat kein Mitspracherecht, obwohl diese Menschen schon lange in der Schweiz wohnen. Zudem geht der Trend davon weg, dass man die Staatsbürgerschaft annimmt, gerade bei sehr mobilen Personen. Das lässt sich international beobachten.
Erstaunt Sie, dass die Forderung von einer SP-Stadtpräsidentin kommt?
Nein. Diese Forderung stellt die SP schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Mich erstaunt eher der Zeitpunkt, weil es kurz vor den Wahlen ist und es kein populäres Anliegen in der Bevölkerung ist, gerade bei bürgerlichen Wählern. Das Ausländerstimmrecht konnte bisher fast nirgends direkt eingeführt werden. Änderungen der Kantonsverfassungen waren nötig.
Ich glaube nicht, dass man die Wähler davon überzeugen kann, dass es ein Ausländerwahlrecht braucht.
Corine Mauch schlägt vor, Ausländer sollten schon nach zwei Jahren mitbestimmen können. Geben Sie diesen Plänen eine Chance?
Ich glaube nicht, dass das ein geschickter Zug ist. Beim letzten solchen Vorstoss war das Gegenargument, dass sich die Leute ja nach zehn Jahren einbürgern lassen können. Ich glaube nicht, dass man die Wähler davon überzeugen kann, dass es ein Ausländerwahlrecht braucht.
Acht Kantone und 600 Gemeinden kennen bereits ein Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer. Was für Erfahrungen machen sie damit?
Im Grunde genommen gibt es damit keine grossen Umwälzungen. Die Stimmbeteiligung von Ausländerinnen und Ausländern ist ziemlich gering. Ihr Wahlverhalten unterscheidet sich zudem nicht so dramatisch von dem der Schweizer Staatsbürger, als dass es zu komplett anderen Entscheidungen führen würde. Ich würde also sagen: Die Effekte sind nicht allzu gross.
Wenn Ausländerinnen und Ausländer auf Gemeindeebene mitbestimmen dürfen, stimmen sie dann eher links-progressiv?
Sie stimmen schon eher links. Aber der Unterschied ist nicht wahnsinnig gross. Man könnte vor allen Dingen denken, dass Ausländerinnen und Ausländer bei migrationspolitischen Vorlagen anders stimmen würden.
Wir haben das hypothetische Stimmverhalten von Ausländern bei der Zuwanderungsinitiative untersucht und eine erstaunlich geringe Diskrepanz festgestellt.
Aber wir haben das hypothetische Stimmverhalten von Ausländern und das Wahlverhalten von Personen mit Migrationshintergrund bei der Zuwanderungsinitiative untersucht und eine erstaunlich geringe Diskrepanz festgestellt.
Ist ein nationales Stimmrecht für ausländische Mitbürger realistisch?
Das ist im Moment politisch völlig chancenlos, in der Deutschschweiz insbesondere. Ich gebe so einer Vorlage keine grossen Chancen.
Das Gespräch führte Teresa Delgado.