Bei 15'000 Franken fangen die Probleme an: Wer hohe Bargeldbeträge auf einer Bank einzahlen will, muss Fragen zur Herkunft des Geldes beantworten. Geldwäscherei-Verdachtsfälle melden die Banken der Aufsicht. Anders beim Staat: Die Betreibungs- und Konkursämter nehmen Bargeld einfach entgegen und überweisen das Geld aufs Bankkonto.
«Ich habe das nicht mehr aus dem Kopf gekriegt, dass das nicht sauberes Geld war», erzählt eine frühere Mitarbeiterin eines Betreibungsamts. Inzwischen hat sie gekündigt, den Job beim Betreibungsamt hinter sich gelassen. Trotzdem möchte sie anonym bleiben. Niemand soll wissen, dass sie mutmasslich bei Geldwäscherei half.
Der Trick
Die Betreibungsämter müssen jede Zahlung entgegennehmen. Sie dürfen keine unbequemen Fragen zur Herkunft des Geldes stellen. Das lässt sich ausnützen.
Ich habe das nicht mehr aus dem Kopf gekriegt, dass das nicht sauberes Geld war.
Wenn jemand Geld waschen will, dann betreibt er einen Bekannten – zum Beispiel auf Rückzahlung eines fiktiven Darlehens von 80'000 Franken. Dann gibt er dem Bekannten das Geld und der bringt es zum Betreibungsamt. Das Amt nimmt das schmutzige Geld entgegen und überweist es auf das Konto des Geldwäschers.
Gute Absicht mit Nebenwirkung
«So kann sehr einfach Geld gewaschen werden und dies erst noch offiziell über eine Behörde, die diese Transaktion abwickelt», kritisiert Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International.
So kann sehr einfach Geld gewaschen werden, und dies erst noch offiziell über eine Behörde, die diese Transaktion abwickelt.
Die Überweisung vom Amt macht das Geld sauber. Fachleuten ist das Schlupfloch bekannt. Aber der Bundesrat war bisher der Meinung, Barzahlungen müssten möglich sein, damit Schuldner eine Zwangsversteigerung in letzter Minute noch verhindern könnten. Die Gefahr der Geldwäscherei galt als eher theoretische Möglichkeit.
Klare Devise von oben
Tatsächlich aber sagt die frühere Betreibungsbeamtin, sie habe regelmässig hohe Barzahlungen bekommen. Nicht von Privaten, sondern von Geschäftsleuten. Sie erzählt von einem «Stammkunden» aus der Immobilienbranche, der viel mit Russland zu tun hatte und jeweils mehrere 10.000 Franken brachte. Doch als sie ihren Vorgesetzten informierte, wurde ihr nur gesagt, sie müsse das Geld annehmen.
Ein Geschäftsmann aus der Immobilienbrache mit Beziehungen zu Russland brachte jeweils mehrere 10'000 Franken.
Gemäss Recherchen von Radio SRF besteht das Problem vor allem auf den Schweizer Finanzplätzen. In Zürich, Zug, Lugano und Genf kommen Zahlungen von mehreren 10'000 Franken regelmässig vor. Im Kanton Genf flossen letztes Jahr mehr als 24 Millionen Franken in bar über die Betreibungsämter.
Der Anwalt und SP-Nationalrat Christian Dandrès ist beunruhigt: «Die italienische Mafia nutzte schon lange Immobilien in Genf, um Geld zu waschen.» Dandrès hat deshalb eine Interpellation eingereicht: «Man kann nicht den Banken Sorgfaltsvorschriften machen und gleichzeitig bei Staatsstellen grosse Sicherheitslücken offenlassen.»
Bundesamt für Justiz reagiert
Das Bundesamt für Justiz schreibt auf Anfrage: «Heute zeigt sich, dass hier zumindest potenziell eine Missbrauchsgefahr besteht.» Umgehend ging heute eine Gesetzesänderung in die Vernehmlassung: Barzahlungen sollen grundsätzlich nur noch bis 100'000 Franken zulässig sein.
Hilti von Transparency kritisiert das als «viel zu hoch». Für Banken gilt eine Schwelle von 15'000 Franken. Wie viel Sorgfalt sich der Staat selbst verschreibt – darüber muss noch diskutiert werden.