In Rüttenen bei Solothurn wird ein Garten ausgebaggert. Messgeräte piepen und zeigen an, wo es Spuren von radioaktivem Radium hat. Gennaro di Tommaso stapft durch den Garten. Er leitet die Sanierungsarbeiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) und sagt: «Wahrscheinlich hat man hier zum Giessen und Düngen der Pflanzen Wasser gebraucht. Dasselbe Wasser, mit welchem man vorher die Pinsel ausgewaschen hat.» Die Pinsel mit radioaktiver Radium-Leuchtfarbe.
Bis in die 60er-Jahre wurde in der Uhrenindustrie Radium-Farbe verwendet. Tausende Heimarbeiterinnen und -arbeiter in der ganzen Schweiz arbeiteten damit. Was damals nicht bekannt war: Das Element Radium ist radioaktiv und kann gesundheitsschädigend sein.
Die Radium-Rückstände in Gebäuderitzen und Böden waren daher jahrelang eine unsichtbare Gefahr. 160 Liegenschaften hat das BAG in den letzten Jahren deshalb saniert. Die allerletzte nun in Rüttenen (SO).
Damit ist der Aktionsplan Radium des Bundes abgeschlossen. 10 Millionen Franken liess es sich das Bundesamt für Gesundheit kosten, die betroffenen Liegenschaften und Gärten zu sanieren.
Projektleiterin Marta Palacios zieht eine positive Bilanz, sagt aber auch: «Wir werden nie 100 Prozent aller betroffenen Liegenschaften finden, das wäre illusorisch, denn es gab auch viel inoffizielle Heimarbeit. Doch den Grossteil werden wir gefunden haben – und ist nun fertig saniert.»
Minutiöse Archivrecherche
Gefunden hat die kontaminierten Orte der Historiker Lukas Fritz-Emmenegger. Als Forscher an der Universität Bern recherchierte er in mehreren Archiven und machte rund 1000 Liegenschaften ausfindig, in denen mit radioaktiver Leuchtfarbe gearbeitet wurde. Die meisten davon im Jurabogen.
Sie haben in der Stube, im Schlafzimmer oder in der Küche mit Radium gearbeitet.
«Die Heimarbeiterinnen haben in der Stube, im Schlafzimmer oder in der Küche mit diesen Radium-Leuchtfarben gearbeitet. Da ist es klar, dass es überall ein paar Rückstände davon hatte», sagt Fritz-Emmenegger.
Ab 1920 wusste man von Fällen in den USA, wo viele Arbeiterinnen wegen des Radiums gesundheitliche Probleme bekamen, zum Beispiel Krebs. Auch in der Schweiz stellte der Bund deswegen Nachforschungen an. Allerdings stellte er keine Krankheitsfälle fest. Wahrscheinlich auch, weil die Ärzte gar nicht wussten, worauf sie hätten schauen können, sagt der Historiker heute.
Die Rückstände in den Liegenschaften überschritten die Grenzwerte in 160 Fällen. Dort hat der Bund im Rahmen des Aktionsplans Radium in den letzten acht Jahren Häuser und Gärten saniert. Zuerst die am stärksten verseuchten Orte, zum Schluss den Garten in Rüttenen (SO), der eine weniger hohe Belastung aufwies.
Höchstwahrscheinlich gab es für die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner keine gesundheitlichen Folgen. Die Radiumrückstände waren zum Glück relativ klein. Nur die Spezialisten für die Sanierungen mussten Schutzanzüge tragen: Wenn die Radiumrückstände in Bewegung kommen, können sie potenziell gefährlich werden.