Geschmäcker ändern sich, das gilt für Mode – und auch für Architektur. Während die Garderobe leicht aktualisieren lässt, ist das bei Bauwerken schwieriger, auch wenn sie eigentlich niemandem mehr richtig gefallen.
Exemplarisch zeigt sich dieses Problem an einem Turm aus den 60er-Jahren beim Thermalbad im Aargauer Kurort Bad Zurzach. Dieser Turm hätte verschwinden und doch erhalten bleiben sollen, nun aber sind alle Pläne gestrichen. Der Umgang mit dem architektonischen Erbe ist kompliziert.
Der 62 Meter hohe Turm prägt seit fast 60 Jahren das Bild des Thermalbades und der Gemeinde Bad Zurzach. Nebst seinem technischen Zweck als Wasserreservoir war der Turm jahrzehntelang auch eine Attraktion mit Hotel und Restaurant in den obersten Etagen. Bis in die 90er-Jahre wurde aktiv mit dem Turm Werbung gemacht, er war ein wichtiges Aushängeschild des Kurortes.
Seit einigen Jahren aber bereitet der Turm den Badbetreibern mehr Sorgen als Freude. Der Bau ist für zeitgemässen Hotel- und Restaurationsbetrieb nicht geeignet, er lässt sich nicht rentabel betreiben und eine Sanierung käme zu teuer. Folglich sollte er nach dem Willen der Gemeinde und der Badbetreiber abgerissen werden.
Über die Jahre hat sich der Turm zu einem Wahrzeichen von Bad Zurzach entwickelt. Und auch wenn die brutalistische Beton-Architektur der 60er-Jahre heute nicht mehr sehr beliebt ist und eher als Bausünde angesehen wird, gehört der Turm zur Gemeinde.
In diesem Spannungsfeld wollten die Betreiber des Bades zusammen mit der Gemeinde eine Lösung finden: Der alte Turm sollte abgerissen, jedoch mit einem neuen, höheren Turm in moderner Bauweise ersetzt werden. Diese Pläne wurden nun aber kürzlich begraben, der Widerstand war zu gross.
Widerstand gegen Abriss und Neubau
Widerstand gab es gleich doppelt. Der Schweizer Natur- und Heimatschutz sowie die nationale Denkmalpflege kamen in einem Gutachten zum Schluss, dass ein solcher Turm grundsätzlich nicht ins Ortsbild von Bad Zurzach passe. Obwohl ein Turm nun seit knapp 60 Jahren das Ortsbild prägt, würden die Organisationen einen Neubau vehement bekämpfen.
Der kantonale Heimatschutz wiederum befand den heutigen Turm als Teil des Ortsbildes für schützenswert und überlegte, den Abbruch zu bekämpfen. Mit dieser Ausgangslage war klar: Es bleibt kaum eine andere Wahl, als den heutigen Turm stehenzulassen und irgendwie fit zu machen. Sowohl die Pläne für einen Abbruch, als auch für einen Neubau würden in jahrelangen Rechtsstreitigkeiten enden.
Andreas Edelmann, Stiftungsrat der Stiftung Gesundheitsförderung Bad Zurzach und Baden, welche das Bad betreibt, nimmt die verzwickte Situation im Gespräch mit SRF sportlich: «Diese Interessen am Ortsbild und am Denkmalschutz wurden erst in den letzten Jahren so richtig zum Thema.» Das gelte es zu akzeptieren.
Was nun?
Man müsse das Positive sehen, findet Badbetreiber Edelmann: «Es ist eine interessante Herausforderung, mit diesem Turm etwas Attraktives zu machen.» Vorstellbar seien zum Beispiel ein Museum im Turm oder eine neu ausgebaute Aussichtsplattform auf der Spitze. Rendite müsse der Turm eigentlich nicht mehr abwerfen, da er ja abbezahlt sei.
Ob Bausünde oder nicht, der Thermalbadturm in Bad Zurzach dürfte so stehen bleiben, wie er ist. Und wer weiss, vielleicht ändert sich die architektonische Mode auch wieder in die andere Richtung und der Turm gilt irgendwann wieder als visionäres Wahrzeichen.