Es ist eine alte Tradition: Der Fischereiverein Reuss Mellingen zahlt dem Kanton Aargau einen Pachtzins für mehrere kleine Bäche. Der Verein kontrolliert dort das Wasser, säubert die Ufer und stellt sicher, dass niemand unbefugt in den Bächen in seinem Gebiet fischt. Im Gegenzug dürfen die Mitglieder des Fischereivereins ihrem Hobby nachgehen.
Doch diese alte Tradition ist nun vorbei: Der Fischereiverein Reuss Mellingen hat entschieden, dass er künftig keine Pacht mehr für die Bäche bezahlt. «Uns fehlt der Auftrag zur Aufzucht der Forellen», sagt Reto Lindinger, Präsident des Fischereivereins.
Kanton Aargau will keinen Besatz mehr
Was steckt dahinter? In den Flüssen wurden die Lebensbedingungen für die Forellen zuletzt immer schlechter, nämlich immer wärmer. Im Gegensatz dazu sind die Lebensbedingungen in den Bächen für die Forellen besser.
Darum haben die Fischer des Fischereiverein Reuss Mellingen in den letzten Jahren in ihren Bächen künstlich Forellen aufgezüchtet. Diese Forellen wurden dann in der Reuss ausgesetzt – um dort auch mal wieder eine Forelle am Haken zu haben. Man nennt das Besatz.
In den Flüssen wird es nicht mehr gut möglich sein, Forellen zu fangen.
Doch diesen Besatz erlaubt der Kanton Aargau nicht mehr. Beim kantonalen Amt für Jagd & Fischerei stellt man sich auf den Standpunkt, dass die Aufzucht nichts bringe und den Bächen schade. Thomas Stucki ist beim Kanton Aargau für die Fischerei zuständig. Er sagt: «Die Fischer müssen sich an neue Fischarten gewöhnen. In den Flüssen wird es nicht mehr gut möglich sein, Forellen zu fangen.»
Was sagt die Wissenschaft?
Das Thema Besatz von Forellen in Schweizer Gewässern beschäftigt auch die Wissenschaft. Heike Schmidt-Posthaus ist Professorin an der Universität Bern und leitet dort die Abteilung für Fische. Die Tierärztin untersucht den Besatz im Zusammenhang mit einer Krankheit bei Bachforellen seit mehreren Jahren.
In den Kantonen Aargau, Schaffhausen und St. Gallen habe man Untersuchungen gemacht, wie sich die Population von Forellen mit oder ohne Besatz entwickelt hat.
«Wir haben an diesen Beispielgewässern festgestellt, dass die Bachforellenpopulation auch ohne Besatz über mehrere Jahre stabil geblieben ist. Im Kanton Aargau waren Forellen aus der Aufzucht nicht länger als maximal drei Jahre nach Besatz nachweisbar», sagt die Tierärztin.
Wahrscheinlich stören wir mit dem Besatz in vielen Gewässern eher die Entwicklung der normalen, naturverlaichten Population.
Dies bedeute, dass die aufgezogenen Tiere wahrscheinlich nicht ihre Laichreife erreichen und somit nicht dazu beitragen, die Population aufrechtzuerhalten. «Wahrscheinlich stören wir mit dem Besatz in vielen Gewässern eher die Entwicklung der normalen, naturverlaichten Population.»
Heike Schmidt-Posthaus betont aber auch, dass diese Ergebnisse auf Untersuchungen in lediglich drei verschiedenen Gewässersystemen beruhen. «Man kann diese Erkenntnisse also nicht generalisieren auf die ganze Schweiz, oder darüber hinaus.»
Aargauer Fischereiverein ist anderer Meinung
Beim Aargauer Fischereiverein beurteilt man dies anders als die Universität. Vereinspräsident Kurt Braun sagt: «Der Aargau hat restriktive Ansichten, unsere Meinungen gehen klar auseinander.» Natürlich könne man mit dem Besatz nicht überall für mehr Fische sorgen. Aber nichts zu machen, sei falsch.
Kurt Braun geht davon aus, dass weitere Aargauer Vereine dem Beispiel des Fischereivereins Reuss Mellingen folgen werden und der Kanton noch viele Pächter verlieren wird.