Die Unterschiede sind enorm: In der kleinen Gemeinde Rongellen in der Bündner Viamala-Schlucht kostet die Kilowattstunde Strom nicht einmal 10 Rappen. Ein durchschnittlicher 4-Personen-Haushalt bezahlt 9.6 Rappen, rund 430 Franken pro Jahr (bei einem Verbrauch von 4500 kWh). Ganz anders in der 800-Seelen-Gemeinde Braunau im Kanton Thurgau: Hier kostet der Strom für dieselbe Familie über 50 Rappen. Fünfmal mehr, das ergibt Stromkosten von etwa 2300 Franken pro Jahr.
Wir sind in den Hammer gelaufen beim Einkauf.
Der Braunauer Gemeindepräsident David Zimmermann (SVP) ist sich negative Schlagzeilen bei diesem Thema gewohnt – schon im letzten Jahr gehörte der Strom in seinem Dorf zu den teuersten der Schweiz. «Wir sind in den Hammer gelaufen beim Energieeinkauf», gibt er unumwunden zu. Die Gemeinde habe falsch kalkuliert.
«Die Verträge liefen 2022 aus und wir mussten für 2023 neue Verträge abschliessen. Dann ging die Börse zu, wir haben für 43 Rappen eingekauft und wollten auf Nummer sicher gehen. Also haben wir den Strom gleich für drei Jahre eingekauft, weil wir das Gefühl hatten, dass der Preis weiter steigen werde. Was er nicht tat. Das baden wir jetzt immer noch aus.»
Etwas anders ist die Situation in Büttikon, einem Dorf mit gut 1000 Menschen im Aargauer Freiamt. Man habe jahrelang von sehr tiefen Preisen profitiert, heisst es in einem Schreiben, das am Mittwoch in alle Briefkästen verteilt wird. Die Strompreise 2023 seien zu tief kalkuliert worden: Der Strom war bisher also zu billig.
«Preisschock» mit Ansage
Auf diesen Fehler habe der Gemeinderat bereits Ende 2022 hingewiesen und angekündigt, dass der Strompreis 2024 wohl massiv ansteigen werde. Die Prognose ist nun eingetroffen: Neu kostet der Strom in Büttikon 47.5 Rappen – das ist eine Preissteigerung um über 200 Prozent.
Der zuständige Gemeinderat Christian Camenisch erklärt auf Anfrage von SRF, es seien bisher nicht sehr viele Reaktionen bei der Gemeindekanzlei eingegangen. Wohl auch, weil man die Bevölkerung eben vorgewarnt habe. Natürlich sei der hohe Strompreis gerade für Gewerbetreibende aber ein grosser Kostenfaktor. Statt zum Beispiel 6000 Franken pro Jahr würden neu 18'000 Franken fällig.
Man rechne damit, dass die Strompreise 2025 wieder sinken, beruhigt der Gemeinderat in Büttikon. Und fügt an: Wenn es extreme Härtefälle gebe, dann suche man nach gemeinsamen Lösungen. Preisreduktionen stehen nicht zur Debatte, aber Ratenzahlungen wären allenfalls möglich, ist zwischen den Zeilen zu hören.
Professionelle Hilfe für die Zukunft
Nach jedem Preisanstieg wird auch darüber diskutiert, ob kleine Gemeinden und ihre Elektra-Genossenschaften professionell genug organisiert sind, um im komplexen Strommarkt die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Ähnliche Diskussionen gab es zum Beispiel in Oberlunkhofen – nur gerade gut 10 Kilometer von Büttikon entfernt. Dort wurde 2022 ein schweizweit einmaliger «Preisschock» angekündigt, ein Aufschlag um über 260 Prozent.
Inzwischen hat sich die Situation in Oberlunkhofen beruhigt, der Strompreis ist wieder gesunken. Und in Büttikon will der Gemeinderat künftig offenbar ebenfalls unnötige Fehler vermeiden. «Inskünftig wird der Gemeinderat durch einen externen Dienstleister in der Preisfindung sowie in buchhalterischen Belangen fachmännisch unterstützt», heisst es im Schreiben an die Bevölkerung.