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Studie zu Kindertagesstätten Wieso gibt es in der Schweiz immer mehr Kitas?

In der Schweiz gibt es immer mehr Kindertagesstätten und Betreuungsplätze. Aktuell gibt es über die Schweiz verteilt insgesamt über 3800 Kitas. Das sind fast 700 mehr als noch vor vier Jahren. Die kantonalen Unterschiede sind allerdings gross. Warum das so ist, erklärt Pierre Lüssi von der Universität Bern. Er hat die Studie verfasst.

Pierre Lüssi

Doktorand und Assistent am IPW an der Universität Bern

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Pierre Lüssi ist Doktorand am Lehrstuhl für Schweizer Politik am Institut für Politikwissenschaft (IPW) an der Universität Bern.

SRF News: Wie erklären Sie sich die Zunahme der Kindertagesstätten in der Schweiz?

Pierre Lüssi: Ich denke, dass der Ausbau grundsätzlich den Bedürfnissen der Familien entspricht. Der Ausbau wird zum Teil auch privat organisiert und dementsprechend denke ich, dass dort ausgebaut wird, wo auch eine Nachfrage besteht. Es ist sicher auch so, dass die politische Situation nicht immer einfach ist. Es kommt also sehr darauf an, in welchem Kanton wir uns befinden. Da gibt es je nach Kanton unterschiedliche Kräfteverhältnisse, unterschiedliche Verständnisse, wer für die Betreuung zuständig ist, und entsprechend auch unterschiedliche finanzielle Ausgangslagen der öffentlichen Hand.

Städtische Regionen haben tendenziell ein höheres Angebot und auch mehr finanzielle Mittel, die aufgewendet werden.

Die Unterschiede zwischen den Kantonen sind offenbar gross. Weshalb?

Grundsätzlich sehen wir in fast allen Kantonen einen Ausbau. Für die Schweiz gesprochen, kann man also von einem Ausbau reden. Die Unterschiede zwischen den Kantonen kann man jedoch an zwei Beobachtungen festmachen. Zum einen haben städtische Regionen tendenziell ein höheres Angebot und auch mehr finanzielle Mittel, die aufgewendet werden. Zum anderen sehen wir, dass Deutschweizer Kantone tendenziell ein tieferes Angebot als das Tessin oder die Westschweiz haben. Eine Erklärung für diese beiden Beobachtungen könnte das Kompetenzverständnis sein, also die Frage, für welche Aufgaben die Familie selbst zuständig ist und für welche der Staat.

Da scheint es also einen Rösti- und Polentagraben zu geben.

Ja, zumindest in der Tendenz können wir das sicher so festhalten. Die städtischen Kantone, beispielsweise Basel-Stadt, befinden sich von den Deutschschweizer Kantonen eher am oberen Ende der Skala. Ein Rösti- oder Polentagraben ist zu beobachten und sicher auch ein Stadt-Land-Unterschied.

Bei der Studie fällt der Kanton Waadt auf. Er hat über 800 Kindertagesstätten und steht damit an der Spitze der Statistik, was die absolute Anzahl angeht. Wie ist das zu erklären?

Zum einen hat das sicher damit zu tun, dass die Westschweizer Kantone allgemein etwas mehr Kitas haben. Gleichzeitig gilt es zu beachten, dass die Anzahl Kindertagesstätten allein nicht zwingend aussagekräftig ist für die Anzahl der Kinder, die betreut werden. Es gibt vielleicht Kantone mit weniger Kindertagesstätten, die jedoch ähnlich viele Betreuungsplätze bieten wie Kantone mit mehr Kitas, aber weniger Plätzen pro Kindertagesstätte.

Die Studie im Detail

Das politische Umfeld ist derzeit eher rau. Gerade kürzlich hat der Bundesrat vorgeschlagen, die Bundesbeiträge an die Kitas komplett zu streichen. Auch liest man immer mal wieder von Kitaschliessungen. Wie passt das zusammen mit der aktuellen Statistik?

Ich glaube, hier geht es um eine Kompetenzfrage zwischen Bund, Kanton und Gemeinden. Da gibt es grosse Unterschiede. Man sieht aber aktuell auch auf Bundesebene eine Entwicklung. Beispielsweise gibt es eine parlamentarische Initiative, die gerade im Ständerat diskutiert wird. Sie fordert, dass der Bund sich bei der Subventionierung der Kinderbetreuung beteiligen soll. Entsprechend finde ich, dass dieses Bedürfnis, das man teilweise auf Ebene der Kantone sieht, verstärkt auch auf Bundesebene geäussert wird.

Kantone erheben die Daten

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Die Kantone führen jeweils eigene Statistiken zu der Anzahl an Kindertagesstätten. «Es war sehr schwierig, überhaupt zu definieren, welche Messinstrumente denn die besten sind, um die Kantone vergleichen zu können», sagt Pierre Lüssi. Dem Studienautor zufolge wären einheitliche Zahlen für die Schweiz in Zukunft hilfreich.

Das Gespräch führte Silvan Zemp.

SRF 4 News, 04.11.2024, 16:25 Uhr ; 

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