Vier Pakete zu je 500 Gramm sollten es sein. Der Inhalt: Plastiksprengstoff. Dies erwarten zwei Schweizer, beide Mitte 20, als sie im Juni des vergangenen Jahres nach Stuttgart fahren. Im Darknet haben sie den vermeintlichen Deal eingefädelt. Kostenpunkt für die zwei Kilo Sprengstoff: 2000 Euro. Doch am Treffpunkt unweit des Stuttgarter Fernsehturms wartet kein Lieferant, sondern das Sondereinsatzkommando der Polizei.
Cyberermittlern des Landeskriminalamts Baden-Württemberg war ein User aufgefallen, der sich in einem Darknet-Marktplatz für Sprengstoff interessierte. Darauf lockten sie die Kaufinteressenten aus der Schweiz in die polizeiliche Falle. Nach den Festnahmen teilten die deutschen Behörden mit, es bestehe der dringende Tatverdacht, die Beschuldigten hätten vorgehabt, den Sprengstoff bei einer «geplanten Straftat in einer schweizerischen Grossstadt» einzusetzen.
Terroranschlag ausgeschlossen – Verdacht auf Habgier
Ein terroristisches Motiv schlossen auch die Schweizer Behörden bald aus – doch wozu sollte der Sprengstoff dienen? Und welche Grossstadt war gemeint?
Recherchen des Südwestrundfunks (SWR) und SRF ergaben, dass die Spuren nach Basel führen: sowohl des möglichen Tatorts als auch der beschuldigten Männer. Dies bestätigt sich nun. Und erstmals lässt sich jetzt ein vermutetes Motiv ausmachen: Die beiden Männer, heute 27 und 25, wollten vermögende Personen im Raum Basel erpressen. Ihr Plan offenbar: eine Explosion gefolgt von einer Forderung nach Geld oder Bitcoins, verbunden mit der Androhung weiterer Sprengstoffanschläge.
Die Bundesanwaltschaft (BA) bestätigt auf Anfrage von SRF, sie habe gegen die zwei Beschuldigten Anklage beim Bundesstrafgericht erhoben.
Die BA schreibt mit Verweis auf die Anklage, die Beschuldigten hätten gewusst, dass bei den mutmasslich von ihnen geplanten Anschlägen «Personen hätten schwer verletzt oder getötet werden können.» Das hätten sie «aus Gewinnsucht sowie Habgier und Rücksichtslosigkeit gegenüber Leib und Leben Dritter zumindest billigend in Kauf genommen».
Der versuchte Sprengstoffkauf in Stuttgart ist nicht der einzige Vorwurf: Gemäss Anklage der BA sollen sie am 30. März 2022 einen Sprengstoffanschlag im Basler Bruderholz-Quartier begangen haben. Menschen wurden damals keine verletzt, an der Liegenschaft, vor der die Bombe hochging, entstand ein Sachschaden von rund 170'000 Franken. Der Hintergrund blieb lange unklar.
Sie wollten ihre «besondere Gefährlichkeit» beweisen
Die BA wirft den Beschuldigten vor, in verbrecherischer Absicht gehandelt zu haben, ohne Rücksicht auf fremdes Eigentum, Leib und Leben. Mit dem Anschlag hätten sie die Grundlage für eine folgende Erpressung von Geld oder Bitcoins schaffen wollen, so die BA. Ihre «besondere Gefährlichkeit» sollte damit unter Beweis gestellt werden. Ein Erpresserschreiben haben sie nicht versendet – weshalb, bleib unklar. Drei Monate darauf fuhren sie nach Stuttgart.
Einer der Beschuldigten ist im Kanton Basel-Stadt wohnhaft, der andere im Kanton Basel-Landschaft. Zumindest einer soll gemäss Recherchen von SRF und SWR schon früher wegen Gewalttätigkeit aufgefallen sein. Es wurde auch über Bezüge zur organisierten Kriminalität oder zu gewaltbereiten Fussball-Hooligans spekuliert. Ermittlerinnen und Ermittler gingen zudem Spuren ins Basler Rotlichtmilieu nach, wo sich einer der Beschuldigten für den Kauf einer Liegenschaft interessiert haben soll.
Die Anwälte der Beschuldigten sind nicht bekannt. Auch nicht, ob sie die Vorwürfe bestreiten. Sie werden sich in der Hauptverhandlung vor Bundesstrafgericht äussern können, der Termin steht noch aus. Es gilt die Unschuldsvermutung.